München/Augsburg. .

Cornelius Gurlitt liegt im Krankenhaus, er hat eine Herzoperation hinter sich, es geht im schlecht. Seine Anwälte aber bringen jetzt Bewegung in den wohl spektakulärsten deutschen Kunstraub-Fall, der längst seinen Namen trägt.

Im „Fall Gurlitt“ also bahnt sich ein Durchbruch an: Das Bild „Sitzende Frau“ von Henri Matisse könnte bald zu den Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg zurückkehren. So schrieb es die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer gestrigen Ausgabe, so bestätigten es jetzt Gurlitts Anwälte. Wohl schon in der kommenden Woche wollen sie eine Vereinbarung mit den Enkelinnen Rosenbergs, Marianne Rosenberg und Anne Sinclair, unterschreiben: Die eine ist erfolgreiche Anwältin in New York, die andere die Ex-Ehefrau von Dominique Strauss-Kahn.

Das von den Nationalsozialisten geraubte Werk gehörte zeitweise zur Kunstsammlung des führenden Nazi-Politikers Hermann Göring und war auf Umwegen in den Besitz der Familie Gurlitt gelangt. Die Augsburger Staatsanwaltschaft, die seit der Beschlagnahmung der Sammlung des Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt im Februar 2012 im Besitz des Bildes ist, signalisierte ihre Zustimmung zur Einigung in diesem Einzelfall.

238 Kunstwerke inSalzburger Villa gefunden

Verhandlungen mit weiteren Erben möglicher Nazi-Raubkunst und Gurlitts Anwaltsteam laufen. Die Berliner „Taskforce Schwabinger Kunstfund“, die mit zahlreichen Experten die Herkunft der Bilder aus Gurlitts Sammlung klären soll, sei an den Verhandlungen nicht beteiligt, sagte Holzinger.

Ein Ende des Falls Gurlitt ist trotz der Entwicklungen nicht absehbar. Denn nach den spektakulären Kunstfunden in München und Salzburg wurde am Mittwoch bekannt: Die Sammlung des 81-Jährigen ist sogar noch größer und wertvoller als bislang angenommen.

Nicht etwa 60, sondern 238 Kunstwerke lagerten in seinem verwahrlosten Anwesen in Salzburg, das viele Medien „Geisterhaus“ tauften, wie Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger mitteilte. „Wir haben einen unterschiedlichen Zustand der Werke“, sagte er. „Wir haben Werke, die unbeschädigt sind, und Werke, die der Restaurierung bedürfen.“ Sie lagerten, war in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen, zum Teil hinter „sperrigen und unbrauchbaren Gegenständen“.

Das Ausmaß der Sammlung habe auch Gurlitts Betreuer und sein Anwaltsteam überrascht, betonte er. Die Bilder seien erst Ende Februar beim Ausräumen des Hauses gefunden worden – rund zwei Wochen nachdem dort zum ersten Mal nach Kunstwerken gesucht worden war.

Die Sammlung umfasst Ölgemälde und Aquarelle von Monet, Renoir, Manet, Gauguin, Liebermann, Cézanne und Nolde sowie Zeichnungen von Picasso und Munch. Gustave Courbets „Porträt von Monsieur Jean Journet“ aus dem Jahr 1850 ist darunter, außerdem Max Liebermanns „Badeszene“ und Claude Monets „Waterloobridge, en temps gris“. Zum Wert der Sammlung wollte Holzinger sich nicht äußern. „Eine Spekulation über die Wertigkeit wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös.“ Erst einmal soll es eine solide Herkunftsforschung geben.

Diese will Gurlitt selbst in die Wege leiten lassen: Die Sammlung gehört ihm, sie ist nicht beschlagnahmt worden. Die ermittelnde Augsburger Staatsanwaltschaft hat auf die Bilder, die nun an einem geheimen Ort verwahrt und restauriert werden, keinen Zugriff. Die österreichischen Behörden haben Amtshilfe verweigert.

Es kriselt offenbarin Gurlitts Beraterkreis

Die Augsburger Taskforce zur Aufklärung des spektakulären Münchner Kunstfunds begrüßte dennoch Gurlitts Absicht, NS-Raubkunst an die jüdischen Erben zurückzuerstatten. „Die aktuellen Ereignisse sehe ich im Sinne einer gerechten und fairen Lösung sehr positiv“, sagte die Vorsitzende Ingeborg Berggreen-Merkel. „Die Möglichkeit, einvernehmliche Lösungen zwischen allen Beteiligten anzustreben, begrüße ich sehr.“

Kunstsammler Cornelius Gurlitt liegt im Krankenhaus, wenn er das Bett wieder verlassen darf, will er in seine Wohnung in München zurückkehren – die unterdessen renoviert worden ist. Derweil scheint es unter jenen Menschen, die Gurlitt beratend zur Seite stehen, zu kriseln. Am Mittwoch hatte Gurlitts Sprecher bekanntgegeben, dass Kunstexperte Hannes Hartung, der Gurlitt bislang im Streit um mögliche Raubkunst vertrat, das Mandat kurzfristig entzogen worden sei – über die Gründe schwieg er sich aus.