New York. . Der neue US-Star des Jazz kommt mit großen Songs und irrer Mütze nach Essen. Auf seinem preisgekrönten dritten Album „Liquid Spirit“ gehrt es auch um Müttern und deren Unvergleichlichkeit. Am 11. April spielt Porter in der Philharmonie.
Noch einen Ton mehr und sie wären auf die Bühne der ehrwürdigen Town Hall von Manhattan gestürmt, hätten ihn geherzt und mit so viel Liebe eingedeckt, wie es selbst an einem Valentinstag in New York nur alle hundert Jahre vorkommt. Aber Gregory Porter weiß genau, wann man sein Publikum entwöhnen muss, bevor sich Verehrung und Dankbarkeit zu einem Tsunami der Gefühlduseligkeit auftürmen, in dem alles untergeht. Darum nur eine Zugabe nach zwei Stunden erlesener Vokalarbeit. Dann war der Gesangsprediger auch schon wieder hinter den Vorhängen verschwunden. Entschlossen, auch andernorts den Menschen auf dem weiten Feld zwischen Jazz, Blues und Soul ein seltenes Wohlgefallen zu sein. Zum Beispiel im Ruhrgebiet.
Gregory Porter war 39, als er sein erstes Album gemacht hat. Da waren andere im Zenit ihres Schaffens, schon wieder vergessen oder an Drogen und Herzschmerz gestorben. Porter ist heute 42 und der Gegenentwurf. Spät gestartet. Längst nicht austrainiert. Trotzdem bereits mit einem Grammy ausgezeichnet. Und gutelaunebärenhaft gesund und munter. Nichts gegen Wunderkinder-Geschichten. Aber gut, dass die Musikverwertungsindustrie ab und an Menschen an die Werkbank lässt, die vom Leben wirklich was abbekommen haben, bevor sie darüber singen.
Jede Menge Liebe
Gregory Porter muss jede Menge Liebe abbekommen haben. Viele Lieder auf dem preisgekrönten dritten Album „Liquid Spirit“ handeln von Müttern und deren Unvergleichlichkeit. Seine, eine Alleinerziehende aus Bakersfield/Kalifornien, hatte neben dem Kraftprotz noch sechs weitere lebenshungrige Mäuler zu stopfen. Porters Hochachtung und Demut davor machen ihn zum Liebling all jener, die dem Mann mit der wohl augenfälligsten Kopfbedeckung seit Jamiroquai zu Füßen liegen. Porter trägt auf der Bühne eine Mittelohrentzündungen praktisch ausschließende Sturmhaube, auf der eine 60er-Jahre-Schiebermütze installiert ist. Anderen würden man vorhalten, leicht einen an der Mütze zu haben. In Porters Kopfschmuck drückt sich Charisma und Integrität aus. Dazu passt ein klarer, kraftvoller, geschichtsbewusster Soul-Bariton, der den ganzen 190 Zentimeter großen Porter als Resonanzraum gemietet hat.
Der Stimmband-Seelenbalsam des Hünen wurzelt in Gefilden großer Vorgänger. Nat King Cole hört man bei Porter ebenso heraus wie Ray Charles, Gil Scott-Heron, Bill Withers, Barry White, Donnie Hathaway und allen voran: Marvin Gaye. Dabei gestattet sich der einst für eine Football-Karriere vorgesehene Sympath bis auf die eigenwillige Ästhetik seiner Kleidung keine Mätzchen. Die Stimme ist das Star-Orchester. Der Gospel, den Porter in der „The Church of God in Christ“ eingesogen hat, in der seine Mutter Predigerin war, ist ihm weniger theologisches Bekenntnis als emotionale Haltung gegen Missmut und Vereinzelung. Bezaubernd kommt diese Begabung in „Hey Laura“ zum Vorschein.
Wer Poesie und Energie in einer neuen Dosis verabreicht bekommen will, muss sich den 11. April freihalten. Gregory Porter wird dann die Welt an die Wand singen und unter gewaltigem Beifall in der Philharmonie zu Essen rechtzeitig hinter dem Vorhang verschwinden. Bevor das Publikum auf die Bühne stürmt und... ach, hören und sehen Sie doch selbst. Bitte. Unbedingt.