Bochum. . Kurzweilig, rasant und bei der Premiere mit Jubel gefeiert: Lisa Nielebock inszeniert Heinrich von Kleists Lustspiel nach Molière in den Bochumer Kammerspielen mit klugen Strichen und einer passgenauen Besetzung. Und einen doppelten Boden hat das Stück hier auch...

Das berühmteste „Ach!“ der Literaturgeschichte sagt am Ende nicht Alkmene allein, die sechs auf der Bühne sprechen es im Chor: Sind wir nicht alle ein bisschen Alkmene? Identitätsdiebstahl ist heute kein Privileg der Götter mehr, sondern tägliche Übung im Internet; da kann niemand mehr so ganz sicher sein, wer da wer ist und wie viele.

Verglichen damit nimmt sich Heinrich von Kleists doppelter Amphitryon fast noch übersichtlich aus: Seitensprung-Rekordhalter Jupiter erschleicht sich eine weitere Affäre in Gestalt siegreich heimkehrenden Feldherrn und verdreht seiner Alkmene den Kopf, der allmählich klar wird, dass sie ausgerechnet im höchsten der Gefühle getäuscht wurde. Das Ich, das erst durch ein Du entsteht, gerät ins Schwanken, wenn das Gegenüber zur Kippfigur wird. Und wen der Schwindel einmal erfasst hat, wird keinen festen Boden mehr unter den Füßen haben: Wie soll man sich kennen, wenn man einander nicht erkennt?

Und während im Oberhausener „Amphitryon“, den Sarantos Zervoulakos in Szene gesetzt hat, der Boden verspiegelt ist, lässt Regisseurin Lisa Nielebock Kleists böses Lustspiel nun in den Bochumer Kammerspielen vor einer güldenen Wand ablaufen, die schimmernde Umrisse zu erkennen gibt: Man sieht nur, was man weiß. Zwischendurch dreht sich die Wand um die eigene Achse, das ganze Leben ist ein Karussell (Bühne: Sascha Gross).

Sie bleibt das einzige Requisit dieser Inszenierung, vom fatal verräterischen Diadem am Arm Alkmenes einmal abgesehen. Das Stück ist durch kluge Striche auf äußerst kurzweilige 90 Minuten zusammengeschnurrt, in denen Kleists Satzgirlanden mit elegantem Schwung daherkommen. Die passgenaue Besetzung tut ihr übriges. Marco Massafra gibt einen derart hüftsteifen Amtsverwalter Amphitryon, dass man Alkmenes Vergnügen am amourösen Schmeichler Jupiter nur zu gut versteht, den Nicola Mastroberardino wiederum vor Eitelkeit fast platzen lässt. Roland Riebeling macht aus dem Diener Sosias einen glänzenden Stand-Up-Comedian, Veronika Nickl wird zu seinem weiblichen Pendant und Therese Dörr ist eine sinnlich-sinnende Alkmene, die von Liebe und Zweifeln fast zerrissen wird. Heftiger Beifallsjubel. Hach!

Termine: 21. und 28. März, 4., 6. und 9. April, Karten: Tel. 0234/3333 5555