Olsberg. .
Hunderte Smartphones flackern in der Dunkelheit. Rauch steigt auf. „Wollt ihr Sido sehen? Okay, hier habt ihr ihn.“ Das Super-Intelligente-Drogen-Opfer betritt die Bühne in Olsberg: „Hier bin ich wieder“ klingt an - und die Fans rasten aus. „Krass, ich glaube, dass ganz Olsberg hier ist,“ stellt Sido fest. Das ist zwar nicht der Fall, mit rund 1700 Besuchern ist der „30 11 80“-Abstecher ins Sauerland jedoch ausverkauft.
Wer in der Konzerthalle allerdings nur böse Jungs mit schlecht sitzenden Hosen und Rasierklingen unter den Armen erwartet, wird eines Besseren belehrt. Vom braven Girlie bis zum harten Rocker in Leder ist alles dabei.
Textsichere Fangemeinde
Das fällt auch Sido auf. „Hier sind echt Leute, die früher sicher nicht zu meinen Gigs gekommen wären“, sagt er und zeigt auf einen grellen Iro ganz vorne an der Rampe: „Nicht wahr, mein kleiner Punkerfreund?“ Die Menge grölt. Humor hat der Berliner. Also doch kein so „Schlechtes Vorbild“, wie er in einem seiner Songs behauptet. „Ganz Olsberg“ ist textsicher, spätestens bei „Fuffies im Club“ weiß jeder Bescheid.
„Ich hoffe, ihr habt’n bisschen Zeit mitgebracht!“ Sido stellt seine Band vor. Band? Allerdings! HipHop scheint mitunter tatsächlich mehr zu sein als eine Aneinanderreihung von Kraftausdrücken und ein bisschen Beatboxen. Schlagzeug, Keyboard, Gitarren, Backgroundsängerinnen in tollen Kleidern. Alle Vorurteile sind dahin.
Bei „Einer dieser Steine“ kommt eine beinahe andächtige Atmosphäre auf. Die „harten Jungs“ sind also auch den weicheren Klängen zugetan, auch wenn das nicht für Sidos gesamte Fangemeinde gelten mag.
Gänsehaut-Feeling
Auf der Empore sieht man ein paar Silbermasken. Solche, wie sie Sido am Anfang seiner Karriere selbst trug. Die wird’s gefreut haben, als der Rapper feststellt, dass es „jetzt aber reicht, mit der ganzen Pop-Scheiße von Sido“. Kurz darauf kommt dann auch was „richtig Altes“ über seine Stadt, seinen Bezirk, sein Viertel, seine Gegend, seine Straße, sein Zuhause: „Mein Block“. „Kennta? Kennta? Kennta?“ Hört sich an wie eine Anspielung auf seinen „Ick liebe dir“-Kumpel Mario Barth.
Das Publikum „kennt“ es jedenfalls und ist endgültig nicht mehr zu halten. Sido ist es aber immer noch nicht laut genug. „Euch da oben auf der Tribüne kriegen wir auch noch!“ sagt er und richtet sein Mikro wieder auf die Menge: „Na los, Olsberg. Die Spartaner waren auch nur 300!“ Das sitzt. Sido und seine Crew „haben“ die Tribüne. Tosender Applaus, das muss belohnt werden.
Ob vielleicht jemand ein „Jägermeisterchen“ möchte, bietet der Berliner wenig „gangsterlike“ an. Jemand in der ersten Reihe möchte.
Beeindruckend: die Foto-Show zu „Bilder im Kopf“. Vorwiegend „Selfies“, also Porträts, die die Besucher vorher schicken konnten.
„Olsberg - wir kommen langsam dem Ende näher.“ Und was macht man, wenn man „dem Ende“ näher kommt? Man schreibt sein „Testament“. Gänsehaut-Feeling, ganz ehrlich. Dass HipHop so viele Emotionen transportieren kann, kommt unerwartet.
Die Menge will mehr. Nach lauten „Zugabe“-Rufen kehrt Sido nochmal zurück und gibt einen Klassiker seiner Rüpeljahre, dessen Titel aufgrund eines kleinen Restes von Anstandsgefühl hier unerwähnt bleiben soll, zum Besten.