Bonn. . Der russische Maler ist mehr als das „Schwarze Quadrat“: Die Bonner Bundeskunsthalle bietet einen Überblick über ein vielschichtiges Lebenswerk. Malewitsch (1879-1935) ging den Weg in die abstrakte Kunst - und kam aus ihr schon bald wieder zurück – auf Druck des Sowjetregimes.

Kasimir Malewitsch (1879-1935) war so etwas wie ein Schnelldurchlauf der modernen Malerei in Person. Er begann im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts als Impressionist, tief beeindruckt von Claude Monet und seiner lichtflirrenden „Kathedrale von Rouen“. Binnen weniger Jahre durchlief Male­witsch auch den Symbolismus, den

Expressionismus, den Primitivismus und den Kubismus – zeitlich mit Siebenmeilenstiefeln, künstlerisch von leichter Hand. Und Propaganda konnte er auch: Zusammen mit anderen Künstlern machte er sich kurz vor der Oktoberrevolution in der drastischen Manier der russischen Volksbilderbogen Lubok lustig über die deutschen und österreichischen Kriegsgegner Russlands.

Plötzliche Liebe zur Geometrie

Aber das ist nur eine winzige Facette von Hunderten: Der Mann, der zu einem der vielfältigsten Künstler des 20. Jahrhunderts werden sollte, konnte ja nicht nur Malen nach Vorbildern. Er erfand selbst den Suprematismus. Der sah nur so aus wie abstrakte Malerei, war von Malewitsch aber als Verbildlichung einer rein geistigen Welt und ihrer Prinzipien gedacht. Der Maler schuf mit seinem „Schwarzen Quadrat“ auch gleich eine Ikone dieses Stils, die zu einer Ikone der Moderne wurde. Eigentlich war sie es sogar von Anfang an: Als Malewitsch das „Schwarze Quadrat“ 1915 auf der „Letzten Futuristischen Ausstellung“ in St. Petersburg zum ersten Mal öffentlich zeigte, hängte er es fast unter die Decke in eine Ecke des Raums – dorthin also, wo in Russland traditionell stets die Ikone hing: „Gebt den Ästhetizismus auf“, tönte der Kunstrevolutionär Ma­le­witsch, „lasst die Koffer voller Weisheit stehen, denn in der neuen Kultur ist eure Weisheit lächerlich.“

Anspielungspralle Motive

Vor fünf Monaten hat die Malewitsch-Schau des Stedelijk-Museums Amsterdam den Ausstellungsraum fürs „Schwarze Qua­drat“ rekonstruiert. Auf der Reise in die Bonner Bundeskunsthalle ist ihr diese Attraktion aus der Moskauer Tretjakow-Galerie leider abhanden gekommen.

Am Rhein lässt sich aber immerhin noch das überschäumende Genie Malewitschs bestaunen, und angesichts seiner hauchzart hingetupften Dörfer, Kirchen und Häuser, angesichts der zupackenden Farben und der trotzdem subtilen, anspielungsprallen Motive des Im- und Expressionisten Malewitsch könnte gleich zu Beginn der Ausstellung einiges Bedauern keimen über seine plötzliche Liebe zur Geometrie.

Dabei, auch das lehrt die Ausstellung äußerst umsichtig, betrieb der Maler, vor dessen Werken der russische Klassiker Ilja Repin auf den Boden spuckte, ja gar keine Abstraktion von Gegenständen.

Denn was so abstrakt wirkt wie etwa das „Rote Quadrat“ (das gar kein Quadrat ist, wie man in Bonn sehen kann) oder das „Selbstporträt in zwei Dimensionen“ (vier Rechtecke, ein Trapez und ein Kreis auf weißem Grund), soll tatsächlich nur die reine Wirkung der Farbe auf der Fläche darstellen. Und wirkt im Nachhinein wie eine vorweggenommene Mischung aus Miró und Mondrian, deren Spätfolgen im minimalistischen Design unserer Tage zu sehen sind.

Keine Chance am Bauhaus

Malewitsch selbst hielt es auch nicht lange aus mit den Quadraten: Er erweiterte den Suprematismus in die dritte Dimension zur neuen Architektur im mittlerweile revolutionären Russland; sein Zeitgenosse Marc Chagall hatte den von den Sowjet-Revolutionären verehrten Malewitsch noch an der Volkskunstschule von Witebsk untergebracht, doch 1926 wurde sein „Institut für künstlerische Kultur“ in Petersburg

Zur Ausstellung

Kasimir Malewitsch und die russische Avantgarde. Bundeskunsthalle Bonn (Friedrich-Ebert-Allee 4). Di/Mi 10-21 Uhr, Do-So 10-19 Uhr. Bis 22. Juni.

Eintritt: 15 €, erm. 10 €. Familien: 24 €. Last-Minute-Tickets zwei Stunden vor Schließung: 6 €. Katalog: 32 €.

geschlossen, man warf ihm „Formalismus“ vor. Male­witsch ging mit 70 Werken aus allen Schaffensphasen nach Berlin, auch in der Hoffnung auf eine Anstellung am Bauhaus. Doch die zerschlug sich bald, er kehrte zurück nach Russland, beugte sich der Ideologie des „Sozialistischen Realismus“ und malte wieder quadratlose, technisch virtuose Porträts, ohne einem platten Naturalismus zu verfallen. Dass er diese späten Bilder auf weit frühere Jahre datierte, fand man erst nach seinem Tod heraus. Er scheint sich für seinen Kniefall vor den Sowjets geniert zu haben. Der Qualität der Bilder tat er allerdings keinen Abbruch.