Essen. Gerade ist sie erschienen, die 13 CDs umfassende Box “The Beatles - The U.S. Albums“. Schmuck anzusehen, jedoch bei genauem Hinsehen das Ergebnis einer reichlich skrupellosen Abzocke durch das Label Capitol Records.

Man sieht lauter Beatles-Alben, aber man fühlt sich wie in einem Parallel-Universum. Man liest nämlich Titel, die einem alle fremd vorkommen. „Something New“ oder „Beatles ‘65“ etwa, „Yesterday And Today“ oder „Hey Jude“. Keine Spur von „Please Please Me”, „With the Beatles“ oder „Beatles For Sale“. Auf den Platten findet man dann zwar vertraute Songs, alle aber irgendwie in befremdlichen Zusammenhängen.

Und dann noch das: Im Gegensatz zu den 14 Titeln auf den britischen Original-Alben der Fab Four registriert man hier pro Album fast ausschließlich 11 Stücke mit einer beschämend kurzen Laufzeit von deutlich unter 30 Minuten.

Skrupellos

Was uns hier entgegenblickt aus der gerade erschienenen schmucken, 13 CDs umfassenden Box „The Beatles – The U.S. Albums“, ist das Ergebnis einer reichlich skrupellosen Abzocke, die das Label Capitol Records ab Anfang 1964 mit den amerikanischen Fans des Quartetts aus Liverpool getrieben hat. Noch ein Jahr zuvor, als John, Paul, George und Ringo in England bereits Stars waren, wollte in den Staaten keiner ihre ersten Singles kaufen. „From Me to You“ hatte es im Mai 1963 mal gerade auf Platz 116 der US-Charts geschafft. Doch nur vier Monate später waren die USA bereits unter einem Audio-Tsunami aus Richtung Großbritannien begraben.

Dort waren zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Alben erschienen, dazu noch diverse Non-Album-Singles samt Rückseiten. Capitol konnte also aus dem Vollen schöpfen, tat es reichlich – und servierte den kreischenden Fans alles nur häppchenweise. Allein im Laufe des Jahres 1964 brachte man sechs (!) verschiedene Beatles-Alben heraus, darunter eine stark ausgedünnte Form des Soundtracks zum Kinofilm „A Hard Day’s Night“ und mit „The Beatles‘ Story“ auch noch eine Sprechplatte. Diese Masse an Output war das Ergebnis präziser Metzgerarbeit: hier wesentliche Stücke aus dem UK-Original entfernen, dort einfach ein paar Single-Titel einbauen. So bestand etwa das erste Capitol-Album „Meet the Beatles“ aus neun Songs der britischen LP „With the Beatles“, der Single „I Want to Hold Your Hand“ samt B-Seite „This Boy“ und „I Saw Her Standing There“ vom Debütalbum „Please Please Me”.

Mehr Hall eingeblendet

Dass die Toningenieure hier und da auch noch mehr Hall einbauten, um den Sound „amerikanischer” klingen zu lassen, fällt bei so viel Stückelung kaum noch ins Gewicht. Tatsächlich ist in den USA bis „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ (1967) kein einziges Beatles-Album in der von den Beatles gewollten Form erschienen. Die jetzt vorliegende Box ist das Zeugnis eines amerikanischen Profitdenkens, unter dem zur gleichen Zeit auch die Rolling Stones gelitten haben. Dass sie ungemein teuer ist, kann man sich in diesem Zusammenhang denken.

  • The Beatles – The U.S. Albums (Apple/Universal). 13 CDs mit 64-seitigem Booklet, ca. 180 Euro