Köln. Ein großes Interview, zwei Bücher und ein Film: Der verurteilte Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi vermarktet seine Geschichte und will offenbar dem Eindruck entgegenwirken, er hätte in Saus und Braus gelebt. Die Erlöse muss er sich mit seinen Gläubigern teilen.
Wolfgang Beltracchi verbringt seine Nächte noch im Knast, aber in der Öffentlichkeit könnte es nicht besser für ihn laufen. Mit einer Charmeoffensive bringt sich der vor gut zwei Jahren zu sechs Jahren Haft verurteilte Kunstfälscher wieder ins Gespräch - und vermarktet sich.
Am Donnerstag veröffentlichte die Wochenzeitung "Die Zeit" ein zweiseitiges Interview mit dem Ehepaar Wolfgang und Helene Beltracchi. Auf dem Titelblatt prangte die Überschrift: "Der Jahrhundertfälscher". Am Freitag kommen die Autobiografie Beltracchis und der Gefängnisbriefwechsel des Ehepaars auf den Markt. Die Veröffentlichung war nach Worten einer Sprecherin des Rowohlt-Verlags nur einem "kleinen Kreis bekannt", so heikel sei das Projekt gewesen.
Anfang März folgt der Dokumentarfilm "Die Kunst der Fälschung". Den hat Arne Birkenstock, Sohn des Verteidigers von Wolfgang Beltracchi, gedreht. Einen Interessenskonflikt hatte Birkenstock zurückgewiesen. Er wolle "keinen Werbefilm" machen, hatte er zu Beginn des Filmprojekts Mitte 2012 gesagt.
Bilder gingen auch nach England, Japan und in die USA
Die Beltracchis haben heute in Bergisch-Gladbach ein Atelier. Auf ihrer Homepage sind die bekanntesten seiner Fälschungen zu sehen und Fotos von Beltracchi mit langem grau-gewellten Haar und in farbbekleckster Arbeitskleidung. Wolfgang Beltracchi verbüßt seine Strafe noch im offenen Vollzug, seine Frau Helene wurde im Februar 2013 aus dem Gefängnis entlassen.
Zu den Fakten: Beltracchi fälschte über Jahrzehnte Bilder von Avantgarde-Künstlern wie Max Ernst, Max Pechstein oder Heinrich Campendonk und schleuste sie mit Hilfe seiner Frau und eines weiteren Komplizen auf den Kunstmarkt. Fast zehn Millionen Euro kassierten die Beltracchis, führten ein Leben in Luxusanwesen in Südfrankreich und Freiburg, bis sie 2010 aufflogen und festgenommen wurden.
Abnehmer der Bilder, die auch nach England, Japan und in die USA gegangen seien, waren laut Beltracchi "höchstens ein Dutzend" Auktionshäuser und Galerien. Als die Fahnder ihnen bereits auf der Spur waren, hätten sie erlebt, dass einer ihrer Kunden ein Bild aus ihrer frei erfundenen "Sammlung Jägers" beim Weiterverkauf sogar mit einer ganz anderen Provenienz ausgestattet habe, sagte Helene Beltracchi. "Da hat dann jemand Lunte gerochen."
Kunstmarkt hat es Fälschern leicht gemacht
Die Beltracchis wollen in dem Interview offenbar dem Eindruck entgegenwirken, sie hätten in Saus und Braus gelebt. "Es war nicht so, dass ich mir dauernd einen Ferrari kaufen wollte oder ein großes Schiff", sagt Alt-Hippie Beltracchi (62). Er habe im Garten gearbeitet, in Wein investiert, Bäume gepflanzt und "keine Lust" gehabt, mehr Bilder zu malen. Er habe auch "keine Schwarzgeldkonten" gehabt. Das Geld habe er mit seiner Frau "weitgehend verlebt" und "nichts beiseitegeschafft". Was Beltracchi allerdings verschweigt, ist, dass die Millionen auf Konten in Andorra und der Schweiz flossen.
Ihn habe der Gedanke verführt: "Du betrügst zwar, aber es gibt doch gar keine richtigen Opfer." Die Bilder seien doch meist "reine Spekulationsobjekte gewesen auf einem überdrehten Markt".
Der Kunstmarkt habe es der Bande "verblüffend" einfach gemacht, hatte im Oktober 2011 auch der Vorsitzende Richter Wilhelm Kremer in seiner Urteilsverkündung gesagt. Er hatte aber auch betont, dass die Tat der Beltracchis keine "Eulenspiegelei" gewesen sei. Auch Beltracchi sagt: "Ich bin in jedem Fall auch ein großer Betrüger. Heute bereue ich das sehr." Trotzdem ist Beltracchi stolz auf sein Können, sieht sich nicht als einfacher Kopist, sondern als Künstler, der den jeweiligen Stil zu perfektionieren versuchte.
Die Erlöse aus der Vermarktung der Bücher und des Films muss Beltracchi übrigens mit seinen Gläubigern teilen. (dpa)