Duisburg.. Söke Dinkla, seit Ende Dezember auch offizielle Chefin des Lehmbruck Museums Duisburg, will das Museum weit öffnen und zu einer „Schnittstelle zwischen Künstlern und Stadtgesellschaft“ machen. Und sie will auf keinen Fall Kunst verkaufen wie noch ihr Vorgänger.
Seit dem 20. Dezember ist Söke Dinkla auch offiziell Direktorin des Duisburger Lehmbruck Museums. Die promovierte, 1962 in Wilhelmshaven geborene Kunsthistorikerin hatte die Leitung des Museums bereits im Mai kommissarisch übernommen. Ihr Vorgänger Raimund Stecker galt als nicht mehr tragbar, nachdem im Museum Schulden von 700.000 Euro aufgelaufen waren. Im Interview spricht die Lehmbruck-Chefin über ihre Zielmarke, das Museum international zur Geltung zu bringen.
Frau Dinkla, wie geht’s jetzt weiter mit dem Museum?
Söke Dinkla: Es gibt jedenfalls kein „Weiter so“! Früher ging man davon aus, dass das Museum die Definitionsmacht im Hinblick auf die Kunst ist und dass die Stadt das, was das Museum macht, aufzusaugen hat. Wir müssen das Museum neu denken. Und überlegen, was das Museum im 21. Jahrhundert sein soll. Wie es ein unverzichtbarer Teil der Stadtgesellschaft werden kann. Es ist nicht so, dass ich alles schon wüsste.
Was wissen Sie sicher über das Lehmbruck-Museum?
Dinkla: Duisburg ist nicht München oder Hamburg. Wenn wir hier existenzielle Fragen stellen, ist das kein Glasperlenspiel und es gibt sicher keine vorgefertigten schnellen Antworten. Eine der wichtigen Zukunftsaufgaben wird es sein, zu schauen, welche Bevölkerungsgruppen wir vielleicht gar nicht erreichen oder sogar ausschließen. Ich denke hier vor allem an die vielen Menschen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte aus anderen Ländern und Kulturen nach Deutschland gekommen sind. Sie fühlen sich oft durch das traditionelle Konzept des Museums wenig repräsentiert.
Wissen Sie schon, was anders werden muss?
Dinkla: Eigentlich tragen die Museen noch das Ideal des enzyklopädischen Sammelns und den Bildungsauftrag zur ästhetischen Erziehung des Menschengeschlechts in sich. Das reicht aber heute nicht mehr. Es muss ein Ort der Kommunikation sein, ein Ort der radikalen Öffnung zur Gesellschaft. Man kann doch heute nicht mehr eine Ausstellung organisieren und die dann drei Monate stehen lassen. Wir stellen Dialoge her. Wir wollen nicht präsentieren und belehren, sondern kommunizieren. Und wir müssen uns stärker auf bestimmte Zielgruppen fokussieren. Die Älteren. Und die Jüngeren. Und sie miteinander ins Gespräch bringen.
Ihr Vorgänger Raimund Stecker hat erwogen, eine Giacometti-Skulptur des Hauses zu verkaufen, um damit ein anderes Werk von ihm anzukaufen. Ist das für Sie auch eine Option, sich von Werken der Sammlung zu trennen?
Dinkla: Nein! Das kommt nicht in Frage! Unsere laufende Giacometti-Ausstellung ist auch ein Kommentar dazu. Wir haben kurioser Weise mit drei Skulpturen von Giacometti die größte Giacometti-Sammlung eines deutschen Museums. Giacometti ist eben ganz stark mit Lehmbruck vergleichbar, wer ihn einmal gesehen und verstanden hat, versteht ihn immer.
Sie haben die Errichtung der jüngsten unter den Landmarken im Ruhrgebiet organisiert, die achterbahn-ähnliche Groß-Skulptur „Tiger & Turtle“ von Heike Mutter und Ulrich Genth im Duisburger Süden.
Oh ja, die Skulptur hat inzwischen 500.000 Besucher gehabt, dabei konnten wir gar keine Werbung dafür gemacht; inzwischen finden dort sogar Gottesdienste statt und im Sommer picknicken die Menschen da!
Sie haben in der Vergangenheit viel mit Kunst im öffentlichen Raum gearbeitet, das wird jetzt anders, oder?
Dinkla: Es hat sein Gutes, wenn man einen anderen Blick auf das Museum und geübt darin ist, die Kunst zu den Menschen zu bringen, dann kann man vielleicht auch besser die Menschen zur Kunst bringen. Das Museum darf nicht mehr nur ein Schutzraum für die Kunst sein. Es ist ein exklusiver Ort, ein alternativer, es müsste ein Schutzraum für eine Art von Wahrnehmung werden, die nur hier möglich ist. Das Museum, das ich mir vorstelle, wäre eine Schnittstelle zwischen den Künstlern und der Stadtgesellschaft.
Thema Finanznot: Das Lehmbruck ist als Stiftung organisiert, aber Kapital bringt im Moment kaum Zinsen, wie wollen Sie denn Ausstellungen finanzieren?
Dinkla: Ich habe mal gesagt: Es gibt Geld wie Heu! Wir haben zum Beispiel die öffentlichen Mittel für unsere Ausstellung „Zeichen gegen den Krieg“ verzehnfacht; sie hatte vorher einen anderen, unverbindlichen Titel, wir haben das Konzept, das die Werke dreier Künstler umfasste, auf unsere Sammlung zugeschnitten und zugespitzt auf Fragen wie: Welche künstlerischen Positionen zum Krieg gibt es heute? Damit konnten wir Geldgeber überzeugen.
Zum Auftrag der Museen gehört nicht nur das Ausstellen, Pflegen und Erforschen von Kunst, sondern auch das Sammeln. Wie geht das ohne Ankaufs-Etat?
Dinkla: Es gibt keinen Ankaufsetat mehr, aber das muss nicht bedeuten, dass man nicht mehr sammelt. Wir haben noch im vergangenen Jahr ein Werk gekauft, mit der Hilfe der RWE-Stiftung, der Sparkassenstiftung, der Kunststiftung NRW und der Sparkasse Duisburg: Mischa Kuballs Serie „New Pott“, Fotos von 100 Familien aus 100 Nationen im Ruhrgebiet, das zeigen wir dann im Februar. Und da bekommen wir dann wieder Menschen ins Museum, die vielleicht noch nie da waren, alle 100 fotografierten Familien werden eingeladen. Deshalb ist dieser Ankauf ja auch so wichtig: Wir repräsentieren im Museum a l l e Menschen. Das Museum identifiziert sich mit den Menschen, die Frage ist, wie wir es hinbekommen, dass sich die Menschen mit dem Museum identifizieren.