Mönchengladbach.

Schon am Beginn seines Pontifikats lenkte Papst Franziskus den Blick auf den Begriff der Armut. Er wünscht sich eine arme Kirche, die ganz besonders jenen nah ist, die am Rand der Gesellschaft stehen.

Zugleich machten seine ersten Verlautbarungen neugierig: Wie hält es der erste Papst aus Südamerika mit der Wirtschaft, mit dem Reichtum, mit dem Kapitalismus? Mit Spannung wurde daher das apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ erwartet, wo er einen Gesamtentwurf seiner Sicht auf die Welt und die Aufgaben der Kirche vorlegt. Darin findet der Pontifex deutliche und zum Teil auch drastische Worte, um die Auswüchse eines liberalen Kapitalismus zu geißeln: „Ebenso wie das Gebot ‚Du sollst nicht töten‘ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen sagen. Diese Wirtschaft tötet.“

Nicht eine am Ende des Wirtschaftslebens totale und absurde Gleichheit aller Menschen, wie es dem kruden Kommunismus alter Denkungsart vorschwebte, ist das Ziel, sondern eine Vielfalt verschiedener Individuen, die so gefördert werden, dass sie selbst ihrer Würde ansichtig werden. Ja, auch das ist das Ziel der Sozialen Marktwirtschaft, und das erst macht sie in vollem Umfang sozial, dass sie nämlich nicht einfach nur einmal, im Kindes- oder Jugendalter, Menschen fördert und fordert, sondern dass sie das lebenslang ermöglicht.

Der Glaube beflügelt den Staat

Freilich: Die Soziale Marktwirtschaft als solche gibt es ja nicht, sie ist ein Modell, das erst von denkenden (und womöglich auch betenden) Menschen mit Leben und Geist erfüllt wird.

Erst der Glaube an die unzerstörbare Würde jedes Menschen, christlich gesprochen: erst der Glaube an die unzerstörbare und zur Ewigkeit berufenen Seele des Menschen beflügelt einen Staat und sein Wirtschaftsmodell, jeden Menschen lebenslang in der Entfaltung seiner Würde und seiner Talente zu fördern, freilich auch zu fordern.

Wo eine Wirtschaft tendenziell zum Ausschluss vieler Menschen aus der Gesellschaft und aus dem Wirtschaftsleben führt, wo Arbeit nicht mehr gebraucht wird und Menschen sich als überflüssig empfinden müssen, bestenfalls geduldet und toleriert, wo Kapital und Spekulation und Aktien mehr zählen als der sich in Arbeit und sozialer Kommunikation entfaltende Mensch, wo Lebens- und Eigentumsverhältnisse sich immer mehr spreizen und starke soziale Ungleichheiten auftreten, wo Schule und Bildung soziale Herkunft zementieren statt durchlässig zu machen – da tötet eine Wirtschaft auf Dauer den Menschen.

Das war und ist zum Teil in lateinamerikanischen Staaten zu beobachten und steht Papst Franziskus deutlich und skandalös vor Augen.

Mehr als irdischer Besitz

Die Soziale Marktwirtschaft hat sehr viel zu einer menschenwürdigen Politik und Wirtschaft beigetragen und ist ein Exportschlager des kontinentalen Europa, und sie muss es immer mehr werden. Dazu gehören Bankenregulierung und gleiche Gesundheits- und Bildungsversorgung und Integration von Zuwanderern und Migranten, dazu gehört in einer Demokratie auch die ständige Diskussion über die Balance von Förderung und Forderung: Tariflöhne und Arbeitsschutz und frühkindliche Förderung sind hier nur einige Stichworte.

Die Marktwirtschaft ist eben nicht einfach Kapitalismus, sondern vom Anspruch und vom Ziel her durchaus wesentlich mehr. Der Mensch als Person findet sich in ihrer Mitte wieder. Er ist der eigentliche Ausgangspunkt und das Ziel allen wirtschaftlichen Handelns überhaupt. Nicht zuletzt deshalb knüpft der Papst also an die grundlegende biblischen Botschaft an, dass nämlich irdischer Besitz – so wichtig er auch ist – doch nur ein Vorletztes sein kann.