Ist es eigentlich einfacher, ohne Wut über Glück zu rappen?

Sido: Ohne Wut über Glück zu schreiben, ist natürlich immer einfacher. Aber ich finde wütend zu sein trotzdem legitim, wenn man wütend ist. Es muss nur authentisch sein. Ich war wütend, frech und rebellisch. Das bin ich aber nicht mehr. Ich schreibe immer, wie ich gerade bin und mich persönlich ausdrücke.

Sie thematisieren im Song „Enrico“ das Leben eines Sinti.

Ich bin ja selber auch Sinti. Dieser Enrico ist wie ich aus einer Hochhausgegend und kann gut Gitarre spielen. Er weiß, das wird ihn irgendwann aus der Scheiße herausholen. Ein bisschen ist das auch meine Geschichte, aber auch Sozialkritik. Ich will den Leuten sagen: Guckt, so etwas gibt es, wir dürfen diese Leute nicht vergessen. Wenn wir wollen, dass sie sich integrieren, müssen wir ihnen auch entgegenkommen und die Türen aufmachen.

Ihre Mutter ist Sinti...

Im Osten war das sehr hart. Meine Mutter hat so viele Sprüche bekommen, als ich klein war. Es war offener Rassismus, meine Mutter wurde als Negerschwein bezeichnet. Da wurde mir klar: Ok, wir sind anders. Als man älter wurde, gab es diese Klau-Sprüche, man wurde in eine Schublade gesteckt. Im Westen sind wir in eine Gegend mit hohem Ausländeranteil gezogen, wo es nicht mehr so auffiel. Wir sind auch eine andere Kultur und haben uns so gut es ging angepasst. In Deutsch hatte ich zum Beispiel immer meine beste Note. Da habe ich aber gemerkt, dass man verlangt, dass man etwas tut, aber es kommt einem niemand entgegen.

Hat Sie das wütend gemacht?

Für mich ist so etwas immer Antrieb. Ich war in Mathe nicht der Hellste, es gab Aufgaben, mit de­nen ich nicht so klargekommen bin. Ich habe so lange darüber gesessen, bis ich es verstanden habe, wollte mir aber auch von keinem helfen lassen. Ich war sehr, sehr wütend und habe manchmal vor meinem Matheblatt geheult. Aber das hat mich angetrieben.