München.. Bayern will sich mit dem Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt gütlich über die bei ihm beschlagnahmten 1400 Bilder einigen. Justizminister Bausback sagte in einem Medienbericht vom Freitag, es gehe um Verantwortung für die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus.
Auf einmal geht alles ganz schnell. Monatelang lagen Kunstwerke von unglaublichem Wert in einem Depot am Münchner Stadtrand - völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit und auch von dem ein oder anderen zuständigen Spitzenpolitiker. Nachdem der spektakuläre Kunstfund in der Wohnung des Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt aber durch einen "Focus"-Bericht öffentlich geworden war, überschlagen sich die Ereignisse.
Rasch schalteten sich Bundesregierung und bayerische Ministerien ein. Wo vorher eine einzige Expertin ausreichen sollte, muss nun eine Taskforce her, um die Herkunft der wertvollen Bilder zu klären. Das bayerische Justizministerium bringt sogar eine Gesetzesnovelle für NS-Raubkunst ins Spiel. Es gehe schließlich "um die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus", sagte der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) der "Süddeutschen Zeitung".
Datenbank kollabiert
Der öffentliche Druck führte binnen weniger Tage dazu, dass zunächst 25 Bilder in die Lost-Art-Datenbank eingestellt wurden, darunter Werke von Größen wie Marc Chagall, Otto Dix, Max Liebermann, Henri Matisse und Auguste Rodin. Der Ansturm auf die Datenbank, wo sie in Briefmarkengröße zu sehen sind, überlastete den Server: fast 5 Millionen Zugriffe, wo sonst am Tag maximal 50.000 verzeichnet werden.
Wenn, wie von Taskforce-Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel angekündigt, von der kommenden Woche an die übrigen mehr als 500 Bilder, die im Verdacht stehen, NS-Raubkunst zu sein, ins Internet gestellt werden, dürfte sich die Klickzahl noch einmal erhöhen.
Der Kunstfund von München hat das Thema Nazi-Raubkunst, das sonst vor allem in Fachkreisen diskutiert wurde, endlich auch auf die große politische Agenda gehoben. Bayerns Justizminister Bausback zieht nun sogar eine Gesetzesänderung in Erwägung. Wenn früheren Eigentümern, die in der Nazi-Zeit faktisch enteignet worden seien, jetzt Verjährung entgegengehalten werde, sei das schwer erträglich, sagte er der SZ.
590 Bilder unter Verdacht
Bei 590 der rund 1400 Bilder, die im Februar 2012 in Gurlitts Münchner Wohnung beschlagnahmt wurden, besteht der Verdacht, es könne sich um NS-Raubkunst handeln. Wie lange es dauert, bis ihre Herkunft endgültig geklärt ist, lässt sich nur erahnen, mögliche zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit den Erben von Vorbesitzern würden sich womöglich jahrelang hinziehen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat schon zahlreiche Anfragen von Nachkommen jüdischer Verfolgter bekommen. Wohl auch wegen der drohenden, unüberschaubaren rechtlichen Streitigkeiten dringen die bayerischen Behörden nun auf eine einvernehmliche Einigung mit Gurlitt.
Dass die bei Gurlitt im Zuge von Steuerermittlungen beschlagnahmten Bilder bisher unter Verschluss gehalten wurden, hatte internationale Kritik ausgelöst. Auch Bausback räumt ein: "Es ist richtig, dass die politische Brisanz des Bilderfundes über eine lange Zeit nicht richtig erkannt wurde." Die Bundesregierung weist aber Kritik zurück, sie habe sich zu spät eingeschaltet. Im übrigen, so sagt Regierungssprecher Steffen Seibert, habe die Federführung des gesamten Vorganges bei der Staatsanwaltschaft in Augsburg gelegen.
Scharzer Peter bei der Justiz
Die hat den Schwarzen Peter dieser Tage oft zugeschoben bekommen. Freilich waren auch die Persönlichkeitsrechte Gurlitts zu schützen, dessen Adresse nun ganz Deutschland kennt. Seine Bilder wurden wegen des Verdachts der Unterschlagung und Steuerhinterziehung konfisziert, betont die Staatsanwaltschaft. Dass es sich dabei um einen kunsthistorischen Sensationsfund handelt, habe mit dem Verdacht überhaupt nichts zu tun. Die Beschlagnahme sei eine "Zwangsmaßnahme im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens" - und damit grundsätzlich nicht öffentlich.
Dass aber nicht einmal die damals zuständigen bayerischen Minister Bescheid wussten, das ist zumindest bemerkenswert. Die erfuhren erst aus der Zeitung von dem Sensationsfund. Gurlitt selbst hat sich noch nicht umfassend geäußert. Sein bislang einziger kurzer Kommentar zu dem Ganzen: "Das alles ist eine große Büberei." (dpa)