München. . Die Behörden beugen sich dem öffentlichen Druck: Eine erste Liste mit Werken aus der spektakulären Sammlung des Münchners Cornelius Gurlitt wird ins Internet gestellt. Außerdem soll eine “Taskforce“ schnellstmögliche Aufklärung bringen.

Nach dem spektakulären Kunstfund in einer Münchner Wohnung veröffentlichen die Behörden eine Liste mit 25 verdächtigen Werken im Internet. Noch am Montagabend sollten Bilder "mit entsprechenden dringenden Verdachtsmomenten auf NS-verfolgungsbedingten Entziehungshintergrund" in die Plattform lostart.de der Koordinierungsstelle Magdeburg eingestellt werden, wie das bayerische Justizministerium, das Kultusministerium sowie das Bundesfinanzministerium und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten.

Außerdem soll nun eine "Taskforce" aus Sachverständigen schnellere Aufklärung bringen. "Zwischen Bund und Land wurde vereinbart, umgehend eine qualifizierte Taskforce von mindestens sechs Expertinnen und Experten für Provenienzrecherche zusammenzustellen", heißt es in der Mitteilung. Parallel zum Ermittlungsverfahren der Augsburger Staatsanwaltschaft sollen die Provenienz-Experten der Herkunft der rund 1400 gefundenen Bilder aus der entdeckten Sammlung des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt auf den Grund gehen. Die Leitung der "Taskforce" soll die frühere Ministerialdirektorin Ingeborg Berggreen-Merkel übernehmen.

Staatsanwaltschaft Augsburg reagiert auf Kritik

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Augsburg müssen rund 970 der etwa 1400 gefundenen Werke von Experten überprüft werden. 380 davon können dem zugeordnet werden, was die Nationalsozialisten "Entartete Kunst" nannten, bei 590 Werken muss laut Mitteilung überprüft werden, ob sie den rechtmäßigen Eigentümern während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt genommen wurden.

"Die Herkunft der beim sogenannten "Schwabinger Kunstfund" sichergestellten Kunstwerke wird so rasch und transparent wie möglich festgestellt", heißt es in der Mitteilung. Denn: "Die mit dem "Schwabinger Kunstfund" aufgeworfenen Fragen zur Restitution im Zusammenhang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken können in einem Strafverfahren allein nicht hinreichend geklärt werden."

Der Münchener Sensations-Fund

Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), Farbholzschnitt mit Motiv eines Mädchens. Herkunft: Kunsthalle Mannheim. In dieser Farbigkeit war die Druckgrafik Kirchners bisher nicht bekannt.
Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), Farbholzschnitt mit Motiv eines Mädchens. Herkunft: Kunsthalle Mannheim. In dieser Farbigkeit war die Druckgrafik Kirchners bisher nicht bekannt. © AFP
Carl Spitzweg (1808-1885), Zeichnung:
Carl Spitzweg (1808-1885), Zeichnung: "Das musizierende Paar". Es handelt sich um eine Vorzeichnung zu einem Gemälde, das im Werkverzeichnis erfasst ist. © AFP
Gustave Courbet (1819-1877),
Gustave Courbet (1819-1877), "Mädchen mit Ziege". Von dem Bild gibt es zwei Versionen, die beide im Werkverzeichnis deklariert sind. Das beschlagnahmte Bild wurde erst 1949 auf einer Auktion versteigert. Das Bild geriet also erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Sammlung Gurlitt. © AFP
Otto Dix (1891-1969), Farblithographie, Motiv einer älteren Dame. Die Herkunft kann nicht eindeutig nachgewiesen werden.
Otto Dix (1891-1969), Farblithographie, Motiv einer älteren Dame. Die Herkunft kann nicht eindeutig nachgewiesen werden. © AFP
Otto Dix, Selbstporträt. Ein Bild, das bisher völlig unbekannt war und weder im Werkverzeichnis noch irgendwo anders publiziert wurde. Es dürfte um 1919 entstanden sein. Damit sei es eines der ganz wenigen Werke, die Dix gleich nach dem Ersten Weltkrieg malte, sagte...
Otto Dix, Selbstporträt. Ein Bild, das bisher völlig unbekannt war und weder im Werkverzeichnis noch irgendwo anders publiziert wurde. Es dürfte um 1919 entstanden sein. Damit sei es eines der ganz wenigen Werke, die Dix gleich nach dem Ersten Weltkrieg malte, sagte... © AFP
...die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann, die die Herkunft der Bilder erforscht.
...die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann, die die Herkunft der Bilder erforscht. © Getty Images
Henri Matisse (1869-1954), Gemälde einer sitzenden Frau, nicht im Werkverzeichnis enthalten. Das Bild dürfte Mitte der 1920er Jahre entstanden sein. Es wurde 1942 vom
Henri Matisse (1869-1954), Gemälde einer sitzenden Frau, nicht im Werkverzeichnis enthalten. Das Bild dürfte Mitte der 1920er Jahre entstanden sein. Es wurde 1942 vom "Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg" in einem Banktresor im französischen Libourne beschlagnahmt. © AFP
Max Liebermann (1847-1935), Gemälde: Zwei Reiter am Strand. In der Münchner Sammlung wurden weitere Zeichnungen und Skizzen Liebermanns gefunden.
Max Liebermann (1847-1935), Gemälde: Zwei Reiter am Strand. In der Münchner Sammlung wurden weitere Zeichnungen und Skizzen Liebermanns gefunden. © AFP
Franz Marc (1880-1916), Gouache
Franz Marc (1880-1916), Gouache "Landschaft mit Pferden", Herkunft: Kunst- und Gewerbemuseum in Moritzburg. © AFP
Marc Chagall (1887-1985), Gouache einer allegorischen Szene, nicht im Werkverzeichnis enthalten. Die Herkunft ist nicht eindeutig bestimmt.
Marc Chagall (1887-1985), Gouache einer allegorischen Szene, nicht im Werkverzeichnis enthalten. Die Herkunft ist nicht eindeutig bestimmt. © AFP
Canaletto (1697-1768), Radierung: Ansicht von Padua, im Werkverzeichnis enthalten, Herkunft nicht geklärt.
Canaletto (1697-1768), Radierung: Ansicht von Padua, im Werkverzeichnis enthalten, Herkunft nicht geklärt. © AFP
Volles Haus im Justizzentrum Augsburg: Die Ankündigug, dass erstmals Bilder aus der beschlagnahmten Münchner Sammlung  zu sehen sein werden, hatte viele Journalisten angelockt.
Volles Haus im Justizzentrum Augsburg: Die Ankündigug, dass erstmals Bilder aus der beschlagnahmten Münchner Sammlung zu sehen sein werden, hatte viele Journalisten angelockt. © AFP
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Zuvor hatte der frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann im "Art"-Magazin gesagt, die Staatsanwaltschaft Augsburg sei mit der Sache ganz offenkundig überfordert, die Forderungen nach einem offenen Umgang wurden immer lauter. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald S. Lauder, hatte von der Bundesregierung verlangt, "die Bilder sichtbar zu machen", und der amtierende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte vor einem Schaden für Deutschlands Ansehen gewarnt.

In Gurlitts Wohnung im Münchner Stadtteil Schwabing waren im Februar 2012 rund 1400 vielfach verschollen geglaubte Werke gefunden worden. Die Augsburger Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Unterschlagung.

"Sie können davon ausgehen, dass wir flexibel auf die aktuellen Umstände reagieren und das Erforderliche im Hinblick auf die Interessen der Geschädigten und den Fortgang der Ermittlungen in die Wege leiten", hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft als Reaktion auf die vorangegangene Kritik gesagt. "Nach den derzeitigen Gegebenheiten schöpfen wir alle Möglichkeiten aus." (dpa)