Bonn. . Wie viele ihrer Mitbürger sahen auch deutsche Maler den Beginn des großen Krieges von 1914 anfangs durchaus patriotisch, manche gar als „Abenteuer“. In der Bundeskunsthalle Bonn erzählt eine aufregende Ausstellung von diesem Thema künstlerischer Widersprüche.

Künstler sind mitnichten die besseren Menschen: Wie so viele stürmten auch sie im Sommer 1914 mit wehenden Fahnen auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs. Oskar Kokoschka kam es wie ein „Abenteuer“ aus einem Karl-May-Buch vor, er mokierte sich nur darüber, mit seiner bunten Uniform eine prima Zielscheibe für Feinde abzugeben. Ernst Barlach goss einen schwertschwingenden „Rächer“ in Bronze, als England den Deutschen den Krieg erklärte. Und die Futuristen unter den italienischen Künstlern forderten den Eintritt ihres Landes „in den heiligen Krieg“.

Tägliches Sterben

Im täglichen Sterben des ersten modernen Kriegs, der am Ende mit 10 Millionen Opfern zum entscheidenden Zivilisationsbruch des Jahrhunderts werden sollte, dauerte es dann nur wenige Tage, bis die Künstler eines Besseren belehrt waren, wie so viele.

Wer wissen will, was der Krieg in den Menschen anrichtete, sieht schon viel im Selbstbildnis von Max Beckmann, der sich mangels militärischer Ausbildung zu Kriegsbeginn als freiwilliger Sanitäter gemeldet hatte: unter der gelichteten Stirn ein abgrundleerer Blick in weite Ferne, die Lippen, fast verbissen aufeinandergepresst, signalisiert Verzweiflung, die Lichtreflexe auf dem Gesicht wirken wie Wunden. Beckmann hatte die ersten Chlorgas-Angriffe an der deutschen in Flandern erlebt – kurz darauf erlitt er einen Nervenzusammenbruch.

Zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkrieges

Beckmanns Selbstporträt ist das stimmige Ankündigungsplakat für eine beeindruckende Ausstellung in der Bundeskunsthalle, die erstmals danach fragt, was die Künstler in den vier Jahren des Ersten Weltkriegs geschaffen haben – ein erstes Donnergrollen jenes Ausstellungsgewitters, das mit dem 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs im kommenden Jahr her­aufzieht.

„In den meisten Künstlerbiografien heißt es: Er zog 1914 in den Krieg, und dann geht es mit dem Jahr 1918 oder 1919 weiter“, sagt Uwe M. Schneede, der die Schau zusammengestellt hat. Ihren bedrückendsten Moment hat sie in einem schmalen Gang, in dem Fotos hängen: das letzte von Wilhelm Morgner, das letzte von Vladimir Burliuk, von Waldemar Rösler, von Umberto Boccioni, von Albert Weisgerber, von Henri Sandier-Brzeska. Und dann ein Leutnant, dessen wehenden Mantel wir nur noch von hinten sehen – das letzte Bild von Franz Marc.

Welterschütterung in der Kunst

Schon vor dem 1. August 1914 scheint sich die Welterschütterung in der Kunst niederzuschlagen; was die deutschen Expressionisten malen, wirkt oft so bedrohlich wie die „Segelboote im Sturm“ (1912) von Ernst Ludwig Kirchner – aber hinterher, im Wissen um den Weltkrieg, sieht man diese Bilder wohl anders als die Zeitgenossen. Emil Nolde malt ein „Schlachtfeld“ und „Soldaten“, August Macke zeichnet einen „Weltuntergang“, Ludwig Meidner tuscht den „Vorabend des Krieges“ auf Papier.

Das Elend wird zum Bild

In Uniform malen manche Künstler Tarn-Decken und -Anstriche für Brücken, Flugzeuge, Kriegsgerät. Er habe zu diesem Zweck „9 ,Kandinskys’ gemalt“, schrieb Franz Marc nach Hause. Aber dann dringt doch bald das Elend des Krieges in den Bildern durch, selbst beim offiziellen Kriegsmaler des britischen Königshauses, Christopher Nevinson, dessen Ölgemälde „Zum Ruhm“ zwei elend gestorbene englische Soldaten zeigt. Wilhelm Lehmbruck schafft seinen „Gestürzten“, Ludwig Meidner grandiose, weitgehend unbekannte Skizzenbücher, die in jeder Hinsicht getroffenen Gesichter des Krieges. Beckmann hält das schreiende Elend der Lazarette fest, Otto Dix den Stumpfsinn und die Barbarei des Soldatenlebens. Franz Marc flüchtet zeichnend in immer abstraktere Motive, auch Paul Klee scheint die Farbe auszugehen. Am Ende wehrt sich der Dadaismus durch Sinnverweigerung dagegen, noch für irgendetwas in Dienst genommen zu werden.

Jedenfalls kommt keiner der Künstler unerschüttert aus dem Krieg zurück. Sie alle werden radikaler, geben sich keinen Illusionen mehr hin. Es ist die verstandene Erfahrung, die Menschen besser macht. Und die Kunst ebenfalls.