Ausgburg. . Die Staatsanwaltschaft Augsburg zeigt elf von 1401 Bildern der in München gefundenen Sammlung Gurlitt – aber nur als Wandprojektion. Darunter sind bislang unbekannte Meisterwerke von Otto Dix, Marc Chagall, Franz Marc und Ernst Ludwig Kirchner.

Es waren nicht 1500 Kunstwerke, sondern 121 gerahmte und 1285 ungerahmte Bilder, insgesamt also 1401. Und es ist auch nicht zwei Jahre her,

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dass die Fahnder sie fanden. Es war Ende Februar 2012, als sie in jene Schwabinger Wohnung eindrangen, die nun ihre jahrzehntelange Unauffälligkeit gegen den Platz als ungewöhnlichstes Depot der Kunstgeschichte für eine Hunderte Millionen schwere Gemäldesammlung eingetauscht hat. Dass die Sammlung aber Dutzende von teilweise unbekannten Meisterwerken hoch berühmter Maler umfasst, das ist jenes entscheidende Faktum, das die zuständige Augsburger Staatsanwaltschaft am Dienstag nicht geraderücken musste.

Max Liebermanns 'Zwei Reiter am Strande'
Max Liebermanns 'Zwei Reiter am Strande' © REUTERS

Geheime Ermittlungen, kein Kontakt zu Cornelius Gurlitt

Unter den Meisterwerken ist ein Selbstporträt von Otto Dix mit Pfeife aus den zwanziger Jahren, das auch die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann noch nicht kannte. Sie versucht seit Monaten, die Herkunft der 1401 Werke zu ermitteln. Ebenfalls bisher unbekannt: eine allegorische Szene von Marc Chagall, der Meike Hoffmann einen „ganz besonders hohen kunsthistorischen Wert“ bescheinigt. Weitere Werke der Sammlung stammen von Max Liebermann, Pablo Picasso, Max Beckmann oder Franz Marc. Der leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz fügte hinzu, außer Ölgemälden seien auch Lithografien, Zeichnungen oder Aquarelle unter den Zeichnungen. Es handelte sich nicht nur um Nazi-Raubkunst, sondern auch um Bilder, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, von Dürer, Renoir oder Toulouse-Lautrec.

Bislang unbekannt: Marc Chagalls „Allegorische Szene“
Bislang unbekannt: Marc Chagalls „Allegorische Szene“ © REUTERS

Die Staatsanwaltschaft Augsburg zeigte Beamer-Projektionen von den Werken, will sie aber nicht ins Internet gestellt wissen – man fürchtet Trittbrettfahrer, die sich als Erben ursprünglicher Gemälde-Eigentümer ausgeben könnten.

Bislang ist nicht mal sicher, welche Bilder Nazi-Raubkunst sind und welche erst nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sammlung der Familie Gurlitt aufgenommen wurden, so Staatsanwalt Nemetz. Angesichts der komplizierten Rechtslage, die sich schon durch den Zeitraum von 70 Jahren ergibt, erwägen die Behörden, Gurlitt die Beweislast dafür aufzubrummen, dass er rechtmäßiger Eigentümer der Sammlung ist. Schließlich gibt es Werke in der Sammlung, die fälschlicherweise als vernichtet oder veräußert angegeben wurden.

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Die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim wollen den Kunstfund nach weiteren Ar­beiten aus dem ehemaligen Flechtheim-Besitz überprüfen lassen. Es bestehe der begründete Verdacht, dass in der jetzt entdeckten Sammlung Gurlitt noch mehr Werke aus dem unter NS-Druck aufgelösten Flechtheim-Bestand seien, erklärten die beiden Erben.

Staatsanwalt Nemetz zufolge wird Cornelius Gurlitt außer Steu­erhinterziehung auch Unterschlagung vorgeworfen. Aktuell hätten die Ermittler allerdings keinen Kon­takt zu ihm, sein Aufenthaltsort sei unbekannt, ein Haftbefehl liege bislang noch nicht vor.

Warum die Behörden ihren Fund so lange geheim hielten? „Die Ermittlungen werden gefährdet, die Kunstwerke werden gefährdet,“ sagt Staatsanwalt Nemetz. „Die Geheimhaltung ist die beste Sicherung,“ pflichtete ihm ein beteiligter Zollfahnder bei.

Ob die Werke in die Museen zurückgegeben werden, in denen sie beschlagnahmt wurden? An ihre ur­sprünglichen Eigentümer? Oder an Cornelius Gurlitt? Darauf wird es noch lange keine klare Antwort geben.