Essen. .

Dem „Macbeth“ gebührt unter Verdis zweitbesten Werken ein erster Platz. Jetzt kann man die selten gespielte Oper hören. Sie eröffnet die neue Intendanz unter Hein Mulders im Essener Aalto-Theater. Sollte sich das Premieren-Niveau halten, scheint der musikalische Rang des Hauses auch zukünftig sicher. Die Inszenierung dagegen hat kaum das Zeug, den großen Essener Verdi-Deutungen das Wasser zu reichen.

Am Ende war der Applaus freundlich, teilweise euphorisch, für Essener Verhältnisse aber keineswegs ausufernd lang. War’s die (zu Unrecht) wenig bekannte Oper? Mut zeigt Mulders diese Spielzeit zweifellos – es folgen noch größere Repertoire-Wagnisse als dieser Königsmord nach Noten.

David Hermanns Inszenierung ist kein so großer Reinfall wie sein Düsseldorfer „Rigoletto“: An der Rheinoper hatte er sich in den Narren qua Tagesnachrichten verbissen. Des Buckligen Tochter steckte Hermann in ein Amstettener Fritzl-Verlies: Klappe zu, Verdi tot.

In Essen geht der junge Regisseur anders vor. Schwer lastet ein Quintett dauerpräsenter Symbole (Ausstattung: Christof Hetzer) auf dem Abend. Man trägt dick auf: An der Grenze zu Kitsch und Freilichtbühne siedeln moosiger Kultstein, entwurzelter (Stamm-)Baum, mausgrauer Kubus, eine Gothic-Brücke, ein Kindergrab.

Monster mit menschlichen Zügen

Ja, die Eheleute Macbeth sind bekanntlich kinderlos. Freuds Idee, all ihr Meucheln und Morden sei auf dieses Defizit zurückzuführen, schließt sich Hermann augenscheinlich an. Das schenkt dem Monströsen zwar menschliche Züge, schmälert aber spürbar den Reichtum der Vorlage. Vom Kaleidoskop einer Karriere, vom Leid eines darbenden Landes (der phänomenal präsente Opernchor singt davon ein anrührend trauriges Lied), ist so gut wie nichts zu sehen.

Hermanns weitgehend apolitischer „Macbeth“ hält also an seinem roten Faden fest. Das eigene gefährdete Fortbestehen gebärt: die Vernichtung der Anderen. So sind nicht (die durchweg unsichtbaren) Hexen, sondern Schwangere und lauter wohlerzogene Knaben im Smoking die grausigste Erscheinung in den Augen des Königsmörders. Schon beim Bankett, als der Wahn des Scheinsiegers Macbeth sich Bahn bricht und er zum Smalltalk mit Leichen schreitet, picknicken die Herrschaften gleichgültig im sterbenden Laub. Man wird ihn schon aussitzen, diesen Clown mit Killer-Instinkt.

Macbeths Wahn ist stummfilmhaft aufdringlich inszeniert. Hier ist er eher ein dekadenter Richard III. als ein Feldherr auf Abwegen. Und so sehr sich dieser Abend auch müht: nicht Blut, nicht Nebel, nicht Irrwitz, nicht Ironie helfen ihm zur großen Spannung. Es gibt viele laue Momente.

Schottische Salonschlange

Gut bis großartig die musikalische Seite. Gun-Brit Barkmin als Macbeths Gattin ist ein Ereignis. Wie soll man(n) nein sagen, wenn eine Dame so betörend sopransinnlich zum Auftragsmord bittet? Dass diese schottische Salonschlange die vokalen Abgründe der Partie recht maskenhaft erkundet, mögen allein Feinschmecker beklagen. Tommi Hakalas heller Bariton kommt ohne Kraftmeierei aus, seine samtige Stimme zeigt weit feinere Farben, als jenes geckige Irrenspiel, das die Inszenierung ihm üppig aufnötigt. Fabelhaft: Liang Lis Banquo-Bass, sehr schwarz, sehr nobel. Generalmusikdirektor Tomas Netopil ging auffällig behutsam zu Werke. Der Lohn dafür war ein bestechend filigranes Klangbild, in seinen besten Momenten große Kammermusik.

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