Münster. . Wie die geschlechtliche Fortpflanzung im Laufe der Zeit zum Erfolgsmodell wurde und warum, zeigt das Naturkundemuseum in Münster in der Ausstellung „Sex und Evolution“ anhand von 450 Ausstellungsstücken – vorsichtig kopulierende Igel inklusive.

Eigentlich ist Sex vollkommen unvernünftig, sagen Biologen. Er kostet Zeit, er kostet eine Heiden-Energie und macht die Beteiligten äußerst verwundbar. Und doch gibt es, weil in der Natur eigentlich alles seinen Sinn hat, einen guten Grund für das, was die Fachleute „geschlechtliche Vermehrung“ nennen: die Erzeugung von genetischer Vielfalt. Für Biologen: ein Pool von Lösungen für Probleme, die aus der Natur auf Mensch und Tier einstürzen.

So geht es, wenn das LWL-Naturkundemuseum in Münster seine neue Ausstellung mit „Sex und Evolution“ überschreibt, natürlich um rein wissenschaftliche Dinge. Selbst an den „Mitmach-Stationen“. Denn die Schau soll auch für Grundschulkinder geeignet sein.

Und bei besagten Stationen handelt es sich etwa um Duftspender, die ahnen lassen, wie durchdringend ein Moschushirsch oder ein Zibetkater die Damenwelt betört. Einer von 1002 Aha-Effekten, die die man in Münster zu bieten hat.

Sex und Evolution im Westfälischen Naturkundemuseum. (Foto: LWL)
Sex und Evolution im Westfälischen Naturkundemuseum. (Foto: LWL) © LWL

Die Knirpse werden allerdings erst einmal gründlich loskichern, denn es beginnt mit einem kopulierenden Rothirsch-Paar in Lebensgröße, umringt von Schildkröten, Teichhühnern, Elstern, Iltissen, Schmetterlingen, Füchsen und Wildkranichen, die dasselbe tun. Und Igeln, ganz vorsichtigen, versteht sich. Später wird es auch um allerlei Penisformen gehen, bei denen sich die Natur zur wahren Meisterin der Kreativität aufschwingt.

Aber hätten Sie gewusst, dass sich Weinbergschnecken als Zwitter mit „Liebespfeilen“ beschießen, um den Partner zu verweiblichen – und dann ihre Spermien dort unterbringen? Oder dass bei über 1500 Arten Homosexualität festgestellt wurde (und die meisten anderen noch gar nicht daraufhin untersucht wurden)?

Blick in die Ausstellung im LWL-Museum für Naturkunde in Münster. (Foto: Friso Gentsch/ dpa)
Blick in die Ausstellung im LWL-Museum für Naturkunde in Münster. (Foto: Friso Gentsch/ dpa) © dpa

Dass Delfine wahre Sex-Monster sind? Dass sich Hirsch-Männchen im Gerangel mit ihren Geweihen manchmal untrennbar verhakeln und dann gemeinsam verhungern? Oder das der Laubenvogel, um die Weibchen zu beeindrucken, eine richtige Liebeslaube aus Gras baut, die 20-mal so groß ist wie er selbst, mit farblich feinsortierten Deko-Artikeln davor?

Und dass die Laubenvogel-Weibchen zum Brüten dann doch selbst ein Nest bauen? Dass Haushühner durch Muskelanspannung das Sperma eines unerwünschten Hahns wieder loswerden und so dessen Vermehrung verhindern können? Dass sich nicht nur Löwen und Tiger zum Liger vermischt haben, sondern auch die Neanderthaler mit dem Homo Sapiens, weshalb wir bis heute Neandertaler-Gene in uns tragen? Dass männliche Wespenspinnen die Selbstaufopferung für ihre Art so weit treiben, dass sie sich nach der Paarung vom Weibchen auffressen lassen, damit es genügend Eiweiß für den Nachwuchs bekommt?

Selbst Darwins Arbeitszimmer ist nachgebaut, weil der Mann, als er über die Entstehung der Arten nachdachte, beinahe am Pfau verzweifelt wäre, „mir wird schlecht, wenn ich eine Pfauenfeder sehe“, bekannte er einmal. Der Pfau war ja so gar nicht an die Natur angepasst. Er brachte Darwin auf die Theorie der sexuellen Selektion: Bei der Partnerwahl setzt sich derjenige durch, der stärker, der schöner aussieht – derjenige, der die besten Gene verspricht.

Bei der Entscheidung haben meist die Weibchen das letzte Wort: Weil die Zahl ihrer Eizellen oft gering ist, suchen sie nach Qualität, während Männchen meist über eine Unzahl von Spermien verfügen und sie möglichst breit streuen wollen. „Monogamie“, sagt der Biologe Jan Ole Kriegs, „ist in der Natur die Ausnahme, der Seitensprung ist die Regel.“

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Wie sich die Sexualität dann in der Zivilisation, in der menschlichen Gesellschaft von der Bronzezeit über die Antike und das Mittelalter bis in die Gegenwart entwickelt hat, blättert die Ausstellung ebenfalls auf - mit dem sexy Minirock einer jungen Bronzezeitfrau, mit freizügigen Sex-Darstellungen auf antiken Vasen bis hin zum beschlagnahmten Album mit verbotenen Aktfotografien aus dem 19. Jahrhundert , das aus dem Polizeimuseum Hannover stammt.

Es gibt in der Natur allerdings auch eine Alternative zum Sex: die ungeschlechtliche Fortpflanzung, eine Art Kopier-Verfahren – natürliches Klonen. Das aber eine große Gefahr in sich birgt: Wenn sich die Umweltbedingungen verändern, kann es das Aussterben, den Tod dieser bedeuten. Deshalb vermehrt sich inzwischen auch nur noch eine von hundert Tier- und Pflanzenarten auf dieser Erde ungeschlechtlich.