Essen. Der Essener Kult-Zeichner Jamiri hat für die Kulturhauptstadt Industriedenkmäler und Landmarken in ein Bühnenbild verwandelt – für die Show „Ein Tag in der Metropole Ruhr”, die nächste Woche bei der ITB in Berlin gezeigt wird

Jamiri (Jan-Michael Richter) im Arbeitszimmer. Foto: W. Schily
Jamiri (Jan-Michael Richter) im Arbeitszimmer. Foto: W. Schily © Wolf Schily

Auf der Touristik-Messe ITB in Berlin wird sich die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 mit einer Revue von Regisseur Gil Mehmert präsentieren. Um der Schau am 10. März den richtigen Look zu verleihen, zeichnete Comic-Künstler Jamiri Industriedenkmäler und Landmarken.Georg Howahl sprach mit dem Essener, der privat Jan-Michael Richter heißt, über die Schönheit des Reviers, den Wert der Nostalgie und die Schwierigkeit, sich nicht selbst zu zerstören.

Was ist das für eine Revue, zu der Sie Ihre Bilder beisteuern?

Jamiri: Sie heißt „Ein Tag in der Metropole Ruhr”, und das ist schon das Konzept. Es fängt morgens an und dann wird das Ruhrgebiet gezeigt: Jahrhunderthalle, Zeche Zollverein, Schurenbachhalde, Gasometer, diverse Skylines, Limbecker Straße und so weiter. Das habe ich als Bühnenbild gezeichnet. Die Idee ist von Gil Mehmert.

Und Sie zeigen das Ruhrgebiet nur von der schönsten Seite?

Jamiri: Ich hatte zunächst die Befürchtung, ich müsste eine Art Verkaufslackierung übers Ruhrgebiet legen, aber das war gar nicht nötig. Ich habe das einfach in meinem Stil gezeichnet. Es war eine schöne Aufgabe, die Heimat zu malen.

Nichts ist beschönigt?

Jamiri: Zu behaupten: Hier ist die Metropole Ruhr, hier scheint immer die Sonne, das wäre ja nicht wahr. Das musste ich auch nicht machen.

Zwischen Wahnwitz und Philosophie

Jamiri (42) zeichnet seit über 20 Jahren Comics, unter anderem für Stadtmagazine, die Studentenzeitschrift Unicum und Spiegel Online. Das Ruhrgebiet dient ihm sehr oft als Kulisse für seine teils wahnwitzigen, oft philosophischen und stets pointensicheren Einseiter, in denen Jamiri selbst im Mittelpunkt steht. In „Best Of” gewährt er Einblicke in seine frühen Werke – von betrunkenen Gesprächen an der Nachttanke bis zum existenzialistischen Streit mit Gott, von entwaffnenden Dialogen mit Ehefrau Beate bis zu den Abenteuern des Weltraumhelden Space-Jamiri sind alle großen Themen, mit denen er sich beschäftigt, vertreten. Und am Ende möchte man mehr.

Vor kurzem ist Ihr Best-Of erschienen, das Cover zeigt Sie und Ihre Frau mit Hund, fast wie eine Industriellenfamilie.

Jamiri: Im Grunde wollte ich Beate und mich veralbern. Das ist angelegt wie die Kruppsche Familie. Lustig ist das vor allem für Leute, die meine Comics kennen. Und noch lustiger für die, die mich persönlich kennen, denn es hat überhaupt nichts mit mir zu tun.

Ist es nicht zu früh, Rückschau zu halten?

Jamiri: Naja, es ist immerhin über 20 Jahre her, dass mein erster Comic in der Zeitschrift „bo-spect” erschienen ist.

Es sind ältere Werke darin, die verblüffend dem ähneln, was Sie heute zeichnen.

Jamiri: Damals war ich 17. Und ich bin froh, dass man sieht, dass ich damals schon in diese Richtung gegangen bin. Ich hatte Spaß zu zeigen, wie es angefangen hat. Natürlich bin ich heute immer noch stolz darauf, dass ich sagen kann: Guck mal, da war ich 17.

Damals hatten Sie Blei- und Tuschestift, heute zeichnen Sie mit Grafiktablett am Computer. Ist das ein Fortschritt?

Jamiri: Ich bin froh, dass ich noch zu Lebzeiten digitalisiert worden bin. Dass ich aber von der Disziplin, die ich beim klassischen Zeichnen erlernt habe, heute noch profitiere, ist sonnenklar.

Sind Sie beim Zusammenstellen nostalgisch geworden?

Jamiri: Bei vielen Arbeiten erinnere mich genau, in welcher Lebenssituation ich da war. Etwa, dass wir damals das Restaurant Haferkamp hatten und ich tierischen Stress hatte. Deshalb weiß ich: Der Comic „Elchtest bei Fiat” ist vollkommen fahrig coloriert. Aber das weiß eigentlich nur ich.

Sie gelten als ausgewiesene Nachteule mit Hang zu alkoholischen Getränken. Wirkt das nicht selbstzerstörerisch?

Jamiri: Neo Rauch hat mal gesagt: „Der Umgang mit leicht entflammbarer Materie zeichnet den Künstler von Rang aus, sofern er glücklich damit hantiert und ihm der Laden nicht um die Ohren fliegt.” Man begibt sich schon ein bisschen in gefährliche Bezirke und achtet nicht so auf die Gesundheit. Aber wenn ich das als Künstler nicht tun würde, könnte ich auch gleich zuhause bleiben.

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