Essen. . In “Rush“ spielt er Formel-Eins-Pilot Niki Lauda, und er ist froh, dass er mit 35 endlich nicht mehr nur “Jungmännerrollen“ angeboten bekommt. “Eigentlich geht es jetzt erst richtig los“, sagt Daniel Brühl – und spricht über Rennfahrer und Lieblingsschauspieler.
Daniel Brühl, 1978 als Sohn eines deutschen Regisseurs und einer spanischen Lehrerin in Barcelona geboren, ist einer der wenigen deutschen Schauspieler, die meist in Kinofilmen mitwirken. Nach ersten TV-Auftritten kam 2000 mit „Schule“ der Durchbruch als Hauptdarsteller. Schon im Folgejahr erhielt er den Deutschen Filmpreis für „Das weiße Rauschen“, ebenso 2003 für „Goodbye, Lenin!“, der ihm auch den den Europäischen Filmpreis einbrachte. Große internationale Rollen waren 2006 „Salvador“ und 2009 in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“.
Steigen Sie gerade in eine neue Karrierephase ein?
Daniel Brühl: Möglich, es begann so vor zwei Jahren, da war ich für einen Film im Gespräch, den ich nun dieses Jahr gedreht habe, „Kaminski und ich“ von Wolfgang Becker. Ich spiele einen schmierigen, absolut unsympathischen Journalisten, und mir ist das Herz aufgegangen. Das Drehbuch aber kam zu der Zeit wie auch das zu „Rush“ und ich dachte noch: Wie merkwürdig, plötzlich bekomme ich endlich die Rollen, die ich schon seit Jahren spielen will. Keine Ahnung warum, aber es ist gut, dass es passiert ist.
Es gibt also Leute, die über den Tellerrand gucken.
Brühl: Naja, Wolfgang Becker kannte mich ja schon von „Goodbye, Lenin!“ und er wusste, dass etwas in mir schlummert, dass ich auch einen fiesen Charakter spielen kann. Ron Howard hingegen war ganz unvoreingenommen und hat mir mit der Rolle eine tolle Chance eröffnet, wo viele hierzulande gleich abgewunken hätten. Der Brühl als Niki Lauda - undenkbar.
Hätten Sie selbst gedacht, dass Sie einmal Niki Lauda spielen werden?
Brühl: Nee, ich wäre niemals auf die Idee gekommen. Und in erster Reaktion, bevor ich das Drehbuch las, musste ich lachen. Dass ich Lauda spielen sollte, das war einfach absurd. Ich hätte mir das zu dem Zeitpunkt auch gar nicht zugetraut.
Was änderte Ihre Meinung?
Brühl: Das Drehbuch war so fesselnd, das habe ich verschlungen. Und als ich mich zum Casting gemeldet habe, war ich ganz entspannt, weil ich mir sowieso nichts ausrechnete. Ich wusste ja nicht, dass die Macher mich wohl schon im Blick für die Rolle hatten.
Und dann spielt man das halt?
Brühl: Naja, die Vorbereitungen waren schon ein langer Weg. Ich hatte ja bis dahin wenig mit der Rennwelt zu tun, und mit Österreichern auch nicht. Aber es hat von Anfang bis Ende einfach Spaß gemacht, weil das eine Rolle ist, in der ich endlich mal was anderes zeigen durfte. Und weil Leute dabei waren, die mir dafür das volle Selbstbewusstsein gegeben haben.
Wie spielt man eine Rolle nach realem Menschen, der in den Medien noch präsent ist?
Brühl: Das ist ein Balanceakt zwischen dem, was man für die Figur als wichtig erachtet und was sie innerhalb der Geschichte ausmacht; man muss sich auch dann auch mal emanzipieren, etwas verändern oder auch weg lassen und einen persönlichen Bezug zur Rolle herstellen. Dabei ist es extrem von Vorteil, wenn man ein gutes Verhältnis zu der Figur aufbaut, denn dann bekommt man Informationen aus erster Hand, die man sonst nirgendwo nachlesen oder in einer Doku finden kann. Sowohl Niki Lauda als auch Daniel Domscheit-Berg für den Film „Inside WikiLeaks“ haben mir Geschichten erzählt, die mir die Rolle psychologisch näher brachten.
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Aber Sie lernen jetzt nicht auch noch drei Monate lang einen Rennwagen zu fahren oder Computerprogramme zu hacken?
Brühl: Doch, ein bisschen muss man sich schon hineinfinden. Wenn man sich komplett verschließt, kann man nicht verstehen, warum Typen überhaupt in Rennwagen steigen und sogar ihr Leben dafür riskieren. Ich habe mit Rennsport gar nichts am Hut, aber nach einer Runde in einem Formel-3-Wagen, wurde mir klar, wie faszinierend das Fahren sein kann.
Und dann kommt noch die äußerliche Annäherung?
Brühl: Klar. Einige Elemente wurden übernommen, aber übertreiben wollten wir auch nicht. Die Augenfarbe war nicht so wichtig, die Zähne dagegen schon. Lauda wird ja mehrere Male im Film als Ratte gehänselt, also habe ich Zähnchen bekommen. Fand ich gut, hat mir auch sehr geholfen, weil es Mimik und Sprechweise verändert. Und dann natürlich die Entstellungen nach dem Unfall. Aber auch da war ich in besten Händen.
Wie lange dauert so etwas, bis es dann drehfertig ist?
Brühl: Das Make-up hat zwar teilweise sechs Stunden in Anspruch genommen, aber dafür sieht es auch täuschend echt aus. Es gab Komparsen, die waren ehrlich schockiert, als sie mich in der fertigen Maske sahen. Aber es ist einfach toll, wenn man mit solchen Profis arbeiten darf und es dann hinterher auf der Leinwand so aussieht, wie man sich das gewünscht hat. Das ist leider nicht so oft der Fall.
Ist es nicht deprimierend, dass Engländer und Amerikaner herkommen müssen, damit ein solcher Stoff mit deutschem Geld aufgelegt wird?
Brühl: Nein, ich bin ja froh, dass es in deren Händen war. Für mich ist Peter Morgan der beste Autor für Geschichten, in denen es um reale Figuren geht. Aber ich glaube, dass es viel mehr Geschichten gibt, die auch von uns Deutschen erzählt werden sollten. Und es ist schade, dass da nicht mehr passiert.
Sie sind jetzt 35 und sehen doch einiges jünger aus.
Brühl: Ja, es ist unfair, aber in diesem Punkt ist es als Schauspieler extrem von Vorteil, ein Mann zu sein. Und wenn ich mir den Bart rasiere, dann sehe ich noch jünger aus. Andererseits bin ich froh, dass mir jetzt endlich Männerrollen angeboten, in denen es nicht nur um die Probleme und Befindlichkeiten von Jungmännern geht, die Anfang 20 sind. Ich war jetzt nicht geknickt, aber schon ein wenig frustriert, dass einfach nicht interessantere Angebote kamen. Irgendwann hat man eben keine Lust mehr, immer das gleiche zu spielen, weil man an einem anderen Punkt angekommen ist. Aber jetzt kommen die interessanteren Rollen und eigentlich geht es jetzt erst richtig los.
Wollten Sie nicht im neuen Film von Olivier Assayas mitwirken?
Brühl: Ja, aber das hat zeitlich nicht geklappt, denn der wird genau jetzt gedreht, parallel zur Werbetour für „Rush“. Und mich auf dem Filmfest in Toronto zum ersten Mal den Amerikanern zu präsentieren, das war absolut wichtig. Ich gebe aber zu, dass mir die Entscheidung trotzdem nicht leicht gefallen ist.
Dafür arbeiteten Sie für Anton Corbijn in einem Spionagethriller nach John le Carré.
Brühl: Ja, allerdings ist das nicht die prickelndste Rolle. Ich spiele einen Geheimdienstangestellten, der Informationen gibt und Kaffee bringt. Aber es bot die Möglichkeit, mit Philip Seymour Hoffman zusammen eine Szene spielen zu dürfen. Das schlage ich nicht aus, denn der ist so ziemlich mein Lieblingsschauspieler.