Essen. Er ist Cellist – und zugleich Sohn. Sein Vater zählt zu den bedeutendsten Pianisten der Nachkriegszeit. Adrian Brendel war beim Klavier-Festival-Ruhr zu hören und spricht mit K.West über das Verhältnis zu seinem Vater Alfred Brendel.

### Imported per Email (2009-08-09 15:31) ### From: v.kaemper@derwesten.de Subject: K.West Adrian Brendel Content: K.West Adrian Brendel Foto: Katie Vandyck Eingestellt von Vera Kämper, DerWesten-Redaktion(See attached file: kwest_brendel.JPG)
### Imported per Email (2009-08-09 15:31) ### From: v.kaemper@derwesten.de Subject: K.West Adrian Brendel Content: K.West Adrian Brendel Foto: Katie Vandyck Eingestellt von Vera Kämper, DerWesten-Redaktion(See attached file: kwest_brendel.JPG)

// Er ist Cellist – und zugleich Sohn. Sein Vater zählt zu den bedeutendsten Pianisten der Nachkriegszeit. Im Jahr 2008 hat Alfred Brendel seine öffentliche Karriere am Flügel beendet. Beim Klavier-Festival Ruhr konnte man Vater und Sohn an mehreren Tagen hintereinander erleben: den Senior lesend und bei einem Workshop, den Sohn konzertierend. Adrian Brendel geht mit seinem künstlerischen Leben im Schatten des prominenten Vaters offen um. Freimütig gewährt er Einblick in seine Kinderstube.

Schon früh habe er sich in das ihm gegebene Erbteil verliebt, vor allem in Mozarts Klavierkonzerte. Der Musik konnte sich Adrian Brendel überhaupt nicht entziehen, sie war allgegenwärtig, es sei denn, Alfred Brendel war unterwegs auf Konzertreisen. Doch wenn der Papa übte, lernte der Sohn beizeiten, was es bedeutet, hartnäckig einzelnen Phrasen nachzugehen, sie wieder und wieder zu spielen, sie zu hinterfragen und sich selbst zu testen. Auch Adrian, 1976 in Alfreds Wahlheimat London geboren, hat sich ein wenig am Klavier versucht, doch insgesamt zu wenig und eher ungern, was er rückblickend bereut.. //

War die Entscheidung für das Cello zugleich eine Abgrenzung gegen das Terrain des Vaters?

Brendel: Weniger. Ich bin schon als Kind oft in die Konzerte meines Vaters gegangen, auch wenn er mit Orchestern aufgetreten ist. Dabei hat mich das Cello immer besonders berührt. Zu meinem sechsten Geburtstag bekam ich dann den ersten Cello-Unterricht geschenkt – ich bin dem Instrument treu geblieben.

Wie stand es um das gemeinsame Musizieren im häuslichen Kreis?

Brendel: Das kam viel später, als wir uns gezielt auf einige Projekte vorbereitet haben, etwa die Konzertphase mit Beethovens Cello-Sonaten. Die ersten Stücke, an denen wir uns zusammen versucht haben, waren sehr späte, unbekannte Werke von Franz Liszt.

Wie haben Sie die Musik als Kind wahrgenommen, eher als Arbeitspensum oder unter dem Aspekt der Freude?

Brendel: Ich habe mich immer sehr gefreut, Musik machen zu dürfen. Da ich in meiner Schule nicht so viele Freunde hatte, die sich für Musik interessierten, empfand ich den Kammermusik-Unterricht nach der Schule umso spannender. Daran haben auch meine Lehrer großen Anteil, da sie es verstanden, die Lust an der Kammermusik zu wecken.

Was Vater und Sohn eint, ist die Abscheu vor der Idee des musikalischen Wunderkindes. Was sie trennt, die Art, wie sie ihre Liebe zur Kammermusik ausgelebt haben. Adrian, u.a. ausgebildet in Cambridge und Köln, wurde im gemeinsamen musikalischen Miteinander groß, Alfred blieb eher der Einzelgänger. Zwar ging auch der Ausnahme-Pianist, besonders im Lied-Genre, kammermusikalische Partnerschaften ein, doch im Grunde hat er sich stets als Solist begriffen. Adrian dagegen sieht sich als gesellig, jemand, der Menschen zusammenbringen möchte, der den Fußball als Mannschafts-Sportart schätzt.

Welche Rolle hat Ihre Mutter in der familiären Konstellation gespielt?

Brendel: Sie war auch Musikerin, sie hatte bei Karl Richter in München studiert. Da mein Vater oft unterwegs war, hat sie sich sehr genau um meine musikalische Ausbildung gekümmert, sie saß mit im Unterricht und hat mir viel geholfen. Sie besaß feines Gespür dafür, inwieweit sie mich animieren musste, denn damals habe ich mich für alles Mögliche interessiert, für den Sport genauso wie fürs Theater. So gesehen, war es eine sehr intensive Zeit. Entscheidend war auch, dass ich relativ früh zu William Pleeth gewechselt bin, dem ehemaligen Lehrer von Jacqueline du Pré. Dort erhielt ich, unter rein musikalischen Aspekten, den wichtigsten Unterricht meines Lebens.

Können Sie das näher erklären?

Brendel: Pleeth vertrat die These, dass man die technischen Schwierigkeiten eines Instruments nur durch die Musik selbst, durch bestimmte Werke, lernen kann und nicht in erster Linie durch Etüden.

War Ihr Weg zum Berufsmusiker klar vorgezeichnet oder entwickelte sich das gewissermaßen schleichend?

Brendel: Ich habe immer versucht, diese Entwicklung zu hinterfragen. Die Lust, mit anderen Musik zu machen, und die vom Vater geerbte Freude am musikalischen Detail haben mir aber gezeigt, wie verlockend der Weg sein kann. Mit ungefähr 15 wusste ich, dass ich Musiker werden möchte, aber mir war auch klar, dass die Laufbahn völlig anders verlaufen würde als die meines Vaters.

Adrian Brendel war Mitte zwanzig, als Vater und Sohn erstmals beschlossen, ein gemeinsames Projekt zu versuchen: die Cello-Sonaten Beethovens. Diese Form familiären Paarlaufs ist kein Sonderfall. Erst kürzlich sind Daniel Barenboim und sein geigender Sohn Michael gemeinsam beim Klavier-Festival Ruhr aufgetreten; auch von Mischa Maisky und seinen beiden Kindern – in der klug gewählten Formation als Klaviertrio – sind solche Konzerte bekannt. Die Reihe möglicher Beispiele wäre lang. Adrian Brendel habe den Vater nie als Bürde, vielmehr als Bereicherung empfunden. Das Verhältnis sei gelöst und spannungsfrei – eine Aussage, die ehrlich klingt. Entsprechend berührt war Adrian, als die Familie im letzten Dezember nach Wien reiste, um dem Abschiedskonzert Alfred Brendels zu lauschen.

Wie haben Sie in frühen Jahren zur inneren Balance zwischen Druck und Freiheit gefunden?

Brendel: Mein Vater wollte nie Musiker »züchten«. Dass es sich nun so ergab, dass eines der drei Kinder Musiker wurde, hat ihn dann doch gefreut. Sein Ziel war es aber nicht. Das hat sicherlich einigen Druck von vornherein genommen. Er wollte lediglich, dass ich meinen eigenen Weg finde, etwas, das mich glücklich macht – auf welchem Gebiet, das war eher zweitrangig.

War Ihr Vater also weniger Lehrer als eher Mentor?

Brendel: Er war für mich da, wenn ich ihn gebraucht habe, aber er hat sich nie eingemischt. Er hat beraten, wenn ich ihn gefragt habe. Also alles andere als ein Dauerlehrer. Ich wollte auch bewusst eigene Impulse suchen, daher auch die Zusammenarbeit mit György Kurtág. Für mich nimmt die Beschäftigung mit zeitgenössischer Musik heute einen völlig anderen Stellenwert ein als bei meinem Vater.

### Imported per Email (2008-08-26 12:31) ### From: h.gross@derwesten.de Subject: kwest Content: null
### Imported per Email (2008-08-26 12:31) ### From: h.gross@derwesten.de Subject: kwest Content: null

Haben Sie, gerade in den letzten Jahren, mehr den Musiker oder den Menschen Alfred Brendel wahrgenommen?

Brendel: Zuletzt ging es immer mehr um die Musik. Ich bin ihm gerade im vergangenen Jahr relativ häufig hinterher gereist, um möglichst viele der Konzerte zu hören. Dadurch habe ich mich eher mit dem Publikum identifiziert und ihn als Musiker erlebt. Da kann ich mich, auch als Sohn, ziemlich gut distanzieren.

Das Interview führte Christoph Vratz und erschien in K.WEST Ausgabe Julie / August 2009.