Berlin. . Er war Erzähler, Synchronsprecher, Bühnen- und Film-Star: Der Schauspieler Otto Sander ist tot. Wie seine Künstleragentur mitteilte, starb Sander am Donnerstag in Berlin. Gegangen ist ein eigenwilliger Mensch mit einer wunderwarmen Stimme, bleiben wird der große Schauspieler Sander.
Niemanden, der Otto Sander in den letzten Monaten und Jahren erlebt hat, wird die Nachricht von seinem Tod an diesem Donnerstag ernsthaft gewundert haben. Zu sehr hatte sich seine tiefe Zuneigung zu gutem Wein und starkem Tobak in sein Gesicht eingegraben, das am Ende mehr und mehr zu einem Lebens- und Kunstwerk eigenen Ranges wurde. Schmal und fast eingefallen wirkte er zuletzt, geblieben war ihm aber allemal seine einmalige Ausstrahlung: Otto Sander gehörte zu den wenigen Schauspielern, mit denen – wo, wann und als was immer sie auftreten – eine ganz eigene, wendungsreiche und ein bisschen geheimnisvolle Lebensgeschichte mit im Raum zu stehen scheint.
"Im Kopf und im Theater muss eine gewisse Anarchie herrschen,“, sagte Otto Sander einmal, und er war in der Tat „etwas schief ins Leben gebaut“, wie eine seiner schönsten Hörbuch-Aufnahmen (mit Ringelnatz-Gedichten) heißt. Eigentlich wollte der Abiturient, der wegen seiner roten Haare und der Sommersprossen oft gehänselt wurde, nach dem Wehrdienst bei der Marine als Fähnrich zur See Regisseur werden. Dann aber sattelte er 1964, als er ein sehr überzeugender Dorftrottel in Roland Klicks Kurzfilm „Ludwig“ war, auf eine Schauspiel-Ausbildung um. Flog aber nach nur einem Jahr von der renommierten Otto-Falckenberg-Schule. Kurz darauf debütierte er an den Düsseldorfer Kammerspielen, einem Theater-Engagement in Heidelberg folgte der Wechsel nach Berlin, wo ihn Claus Peymann anheuern ließ.
Engel Cassiel, Trompeter Meyn - große Rollen von Otto Sander
Fortan gehörte Otto Sander zu der ersten Garde deutscher Schauspieler. Er arbeitete mit Regie-Größen wie Peter Stein, Robert Wilson und Klaus Michael Grüber, er brachte das Ensemble der Berliner Schaubühne an der Seite von Edith Clever und dem oft kongenial mit ihm agierenden Freund und Kollegen Bruno Ganz in den siebziger Jahren zu Weltruhm.
Wo immer Otto Sander auftrat, auf der Bühne oder in den gut 130 Filmen fürs Kino und fürs Fernsehen, war seine Aura gleichermaßen zu spüren. Als Engel Cassiel in Wim Wenders „Himmel über Berlin“ genau wie als Karl Liebknecht in Margarethe von Trottas Rosa-Luxemburg-Film. In Wolfgang Petersens „Boot“ schwang er als abgedrifteter Ritterkreuzträger Thomsen ironische Reden auf Hitler, in Schlöndorffs „Blechtrommel“ Verfilmung war er der dauerblaue Trompeter Meyn. Otto Sander gab all diesen Charakteren immer ein Stück Otto Sander mit, er spielte sie nicht, er war sie, vielleicht auch, weil er geahnt haben mag, dass er wie sie hätte werden können, zu einer anderen Zeit, in einem anderen Land, unter anderen Umständen. Die Zuschauer ließ er das stets spüren.
Otto Sander ist tot
Deshalb glaubte man auch, diesen Mann, der durch seine Heirat mit der Schauspielerin Monika Hansen zum Stiefvater von Ben und Meret Becker wurde, durch und durch zu kennen und war etwas irritiert, als er seine wunderwarme, sonore Stimme, in der alle Höhen und Tiefen seines Lebens mitschwangen, zuletzt für Werbespots vermarktete. Aber dem ewigen Filou, der Otto Sander auch war und der ihn für die Rolle des Hauptmanns von Köpenick erst am Schauspielhaus Bochum (2004) und dann auch im Film prädestinierte, konnte man nicht einmal das wirklich übel nehmen.
Seit Otto Sander 2007 nach einem vorerst überstandenem Speiseröhrenkrebs auf die Bühne und ins Fernsehen zurückkehrte, konnte man kaum mehr aufhören, sich Sorgen um ihn zu machen, er hatte seinen ausufernd genusssüchtigen Lebensstil wieder aufgenommen. Ob sich der Preis dafür gelohnt hat, weiß nur der wunderbare Mensch, den wir am Donnerstag verloren haben. Der Schauspieler aber wird bleiben. (WE)