Mit Filmen, wie „Blue Velvet“, „Twin Peaks“, „Lost Highway“ oder „Mulholland Drive“ wurde David Lynch (67) zum Kultregisseur. Doch seit dem Flop seines Werks „Inland Empire“ (2006) hat der Meister des Surrealen das Interesse am Kino verloren – und widmet sich stattdessen der Malerei und Musik. Wie ernst er es damit meint, zeigt die Veröffentlichung seines zweiten Albums „The Big Dream“.

Herr Lynch, wie kommt es, dass Sie sich zusehends auf die Musik verlegen? Fühlen Sie sich als Regisseur missverstanden oder gar außer Mode?

David Lynch: Nein, es ist nur so, dass es immer schwieriger ist, etwas für die große Leinwand zu produzieren und den Leuten ein echtes Kinoerlebnis zu ermöglichen. Denn Filme werden heute auf Computerbildschirmen und sogar Mobiltelefonen geschaut – wodurch die Atmosphäre und das Handwerkliche komplett auf der Strecke bleiben. Einfach, weil sich das auf diese Weise gar nicht richtig genießen lässt. Ich meine, Mobiltelefone sind dazu da, um Gespräche zu führen, aber nicht um den Gang ins Kino zu ersetzen. Und wenn ich Filme mache, dann für richtig große Leinwände, für Säle, die eigens dafür konzipiert sind, und für ein Publikum, das sie zu schätzen weiß. Ist das nicht der Fall, gibt es für mich auch keinen Grund, mir so viel Arbeit zu machen – weil das jede Menge Herzschmerz bedeutet. Insofern halte ich mich erst einmal zurück und warte ab, ob sich die Situation verändert.

Aber das neueste Ding sind doch riesige Freiluft-Kino-Events wie auf dem „Hollywood Forever“-Friedhof in L.A., zu dem Tausende von Menschen strömen – und wo auch Ihre Filme laufen . . .

Stimmt. Aber: Das ist Los Angeles. Vielleicht gibt es ähnliche Veranstaltungen in New York, Seattle oder Chicago. Nur: Das war es dann. Früher gab es in jeder Stadt ein Programmkino und ein Publikum, das sich für etwas andere Ideen interessiert hat. Das ist definitiv nicht mehr vorhanden. Das sitzt jetzt Zuhause auf der Couch und lässt sich von schlechten Filmen berieseln. Ich will hier nicht zynisch klingen. Schließlich kann das ja wiederkommen.

Ist das „The Big Dream“ – ein Comeback der Programmkinos, oder wovon träumen sie?

Von Liebe.

Wie bitte?

Ich wünsche mir einfach, dass mehr Liebe unter den Menschen herrscht. Das ist mein großer Traum.

Wobei Ihre Songs nicht sonderlich viel Wärme oder Harmonie ausstrahlen . . .

Das ist richtig. Aber das hat ja nichts mit dem zu tun, was ich mir wünsche. Es ist eher der „Ist“-Zustand. Das, was ich um mich herum sehe und fühle. Und das gefällt mir gar nicht.

Inwiefern?

Weil die USA nicht mehr das sind, was sie mal waren. Ich meine, vor ein paar Hundert Jahren war das hier das Auffangbecken und die Zuflucht für Menschen aus aller Welt, die sich ein besseres Leben erhofft haben. Die Abenteuer, Freiheit und eine Chance auf Selbstverwirklichung gesucht haben. Und was ist daraus geworden? Religiöser Fanatismus, Engstirnigkeit, Nationalismus und die Herrschaft des Geldes. Die Leute haben ihr eigenes Paradies zerstört – durch Dummheit und Gier. Ich meine, ich bin in den 50ern aufgewachsen. Und das war vielleicht die letzte große Zeit dieses Landes: Es gab genug Jobs, die Zukunft schien rosarot, die Autos waren genial, die Musik der Wahnsinn. Dann kam Vietnam und der ganze Mist, der bis heute anhält. Es ist ein Trauerspiel.

Unternehmen Sie deshalb immer wieder kleine Fluchten nach Paris? Ist das so etwas wie Ihre zweite Heimat?

Paris ist der Ort, an dem ich am liebsten bin – mal abgesehen von L.A. Ich liebe beide Städte.

Was so weit geht, dass Sie einen Club in Montmartre eröffnet haben – das Silencio?

Das ist nicht mein Club. Man hat mich lediglich gefragt, ob ich beim Design helfen könne. Und das habe ich getan – weil mir solche Sachen einen Riesenspaß machen. Also Räume zu gestalten, und womöglich sogar mehrere – auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Außerdem lasse ich Lithographien in Paris drucken – im Idem Printing Studio, das es schon 150 Jahre gibt, und das ganz alte, wunderbare Maschinen verwendet. Das ist der Hauptgrund, warum ich so oft dort bin – um Lithographien anzufertigen und Normalität zu schnuppern.

Und bei all diesen Aktivitäten ist Kaffee so etwas wie der Treibstoff für Ihren inneren Motor – das, was Sie am Laufen hält?

Transzendentale Meditation, Kaffee, Zigaretten und vielleicht in paar andere Dinge.

Zum Beispiel?

Salat und Käse. Aber kein Fleisch. Ich lebe eine strenge Diät und esse und trinke sehr bewusst. Aber ich liebe Kaffee – und zwar den ganzen Tag, bis spät in die Nacht.

Eine Passion, die so weit geht, dass Sie inzwischen Ihren eigenen „Signature Coffee“ produzieren und vertreiben?

Ja, Freunde meinten: „Du stehst derart auf Kaffee, du solltest deinen eigenen entwickeln.“ Also habe ich viele Sorten, Kombinationen und Röstungen ausprobiert, bis ich etwas gefunden habe, dessen Geschmack ich aufregend finde.

Wie ernst nehmen sie die sogenannte transzendentale Meditation? Wie oft praktizieren sie das?

Zweimal täglich. Und das seit 40 Jahren – ohne dass ich je eine Sitzung ausgelassen hätte.

Worum geht es dabei?

Um das Überschreiten von Grenzen – um das zu erleben, was die Wissenschaft als „geschlossenes Feld“ bezeichnet. Eben ein Meer voller Glück, der süße Nektar des Lebens. Es ist etwas, das jeder Mensch ausprobieren sollte. Und wer das tut, wird sehen, wie das Negative verschwindet und sich tolle, positive Dinge einstellen. Man erlebt eine Glückseligkeit, hat Spaß an der Arbeit, wird wahnsinnig kreativ, und entwickelt genug Energie, um all die Dinge zu tun, die einem wichtig sind.

Und das Ziel ist, irgendwann zu fliegen?

Im Grunde ist es eher ein Hüpfen, das aber mit einem unglaublichen Glücksgefühl einhergeht. Deshalb vibriert man dabei – weil das ein umwerfendes und kraftvolles Erlebnis ist. Im Ernst: Könnten Sie das spüren, würden Sie sagen: „Heilige Scheiße, das ist ja fantastisch!“ Das sorgt dafür, dass alles ein bisschen einfacher und positiver wird. Man hat nicht mehr das Gefühl, als müsse man jemanden umbringen oder seine Frau verprügeln.

Also perfekt für Rednecks, Verbrecher und David Lynch?

Unbedingt! (lacht)