Neuss. . „Titus Andronicus“ aus China beim Shakespeare-Festival im Neusser Globe-Theater: Das Hongkonger Ensemble des TangShu-wing Theater Studios bot eine extravagante Theater-Erfahrung mit einem allmählich auf Touren kommenden Vorspiel.
Wenn im Theater sich der Vorhang hebt, fängt gemeinhin auch das angekündigte Stück an. Bei dem aus Hongkong zum Shakespeare-Festival im Neusser Globe-Nachbau angereisten Ensemble des TangShu-wing Theater Studios ist das nicht ganz so. Hier versammeln sich sämtliche Schauspieler mit Stühlen auf der Bühne, um sich mit geschlossenen Augen erst ganz allmählich in ihre jeweiligen Charaktere einzufühlen.
Fast mönchisch erscheint diese Prozedur, bei der allmählich jedoch der Furor spürbar wird, der bereits in den einzelnen Darstellern tobt. Das Atmen wird heftiger, Fäuste knallen auf den Boden, Füße werden förmlich auf die Stühle gerammt.
Bluttriefende Schlachtplatte
So entsteht auf nackter Bühne und im leeren Raum bereits eine Stimmung, die auf all das Fürchterliche vorbereitet, das sich nun in Shakespeares „Titus Andronicus“ entfalten wird. Gerne hätte man einst diese bluttriefende Schlachtplatte, genährt aus bizarrem Rachedurst und finstersten Perversionen, einem Zeitgenossen des großen Briten zugeschrieben.
Bis man schließlich doch der Tatsache ins Gesicht sehen musste, dass ein Shakespeare auch die niederen Instinkte seines Publikums zu bedienen wusste. Der „Titus“ wirkt denn auch mit seinen Vergewaltigungen, Verstümmelungen, seinen abgeschlagenen Gliedern und den kannibalischen Anklängen wie ein Theater der vorsätzlichen Grausamkeit.
Rote Handschuhe markieren abgeschnittene Hände
Die Inszenierung aus Fernost jedoch versteht selbst in diesem Umfeld noch eine gewisse Eleganz des Stils zu verbreiten. Rote Handschuhe markieren abgeschnittene Hände, ein glutvoll roter Lippenstift den Verlust der Zunge. Erstochen wird mit einem hohen Grad an Stilisierung, das wirklich Mörderische spielt sich hier allein in den Gesichtszügen ab.Die Intensität, mit der sich da Hass und Schmerz spiegeln, besitzt eine Wahrhaftigkeit fernab jeder falschen Theatralik. Und wie so oft beim Shakespeare-Festival verflüchtigt sich hier jede Angst vor ungewohnter Sprache. Ein paar zusammenfassende Obertitel reichen, den Rest besorgen Gestik und Mimik.
Das stets an Überraschungen reiche Festival endet am 13. Juli. Am Schlusstag kann man dann beispielsweise dem Versuch beiwohnen, Shakespeares Texte in die Jazzmusik zu integrieren. Info und Kartentelefon: 02131 / 526 99 999.