Essen.. Er ist ein Schauspieler, der sein wahres Gesicht selten zeigt: Johnny Depp liebt Rollen, in denen er verfremdet wirkt. Ob als Pirat Jack Sparrow, als Massenmörder Sweeney Todd oder als Vampir in „Dark Shadows“. Schuld daran ist Bilderzauberer Tim Burton, der mit ihm bisher acht Filme drehte.

Man muss schon einen Augenblick lang nachdenken, bis einem einfällt, wann Johnny Depp mal eine Figur gespielt hat, die in unserem Kulturkreis und unseren Breitengraden als einigermaßen normal empfunden würde. In „The Tourist“, einem seiner schlechteren Filme, sah man ihn vor drei Jahren als Mathematiklehrer aus Wisconsin. Mit Bauchansatz, welch ein Trost, auch wenn’s vermutlich eine Wölbung war, die ihm der Maskenbildner verpasst hatte. Aber selbst diesem langweiligen Vogel gelingt es noch, die begehrenswerteste Frau im Universum zu küssen -- Angelina Jolie. Johnny Depp bleibt eben der romantische Rebell, selbst wenn er sich mal als Spießer verkleidet.

Wen der schöne Mann mit einem Schuss Indianerblut aus Owensboro, Kentuc­ky, am Sonntag zu seinem 50. Geburtstag wo küsst, werden die Klatschportale sicher noch herausfinden; von der französischen Sängerin Vanessa Paradis hat er sich im letzten Jahr bekanntlich getrennt. Die beiden haben zwei Kinder.

Exzentrische Chaoten

Natürlich wird man mit 50 nicht plötzlich vernünftig, nicht einmal, wenn einen die Gesellschaft darauf verpflichten will, endlich erwachsen zu werden. Im Gegenteil. Johnny Depp, der mit 15 die Schule schmiss, um Musiker zu werden, ignoriert die Hürde, indem er wieder mal das Spielkind gibt. Diesmal nicht als tuntige Piratenparodie, sondern als ebenso kuriose Indianertype in Gore Verbinskis Westernspektakel „Lone Ranger“, das ab August auch in Deutschland die Kinosäle füllen wird. Indianer Depp mit der toten Krähe auf dem Kopf landet sogar als Legofigur in den Spielzeugregalen. Selbst für einen Hollywoodriesen wie ihn eine Ehre.

20 Millionen Dollar verlangt Depp mittlerweile in der Regel als Gage, und wenn gefeilscht wird, sagt er selbst einer Regie-Legende wie Barry Levinson („Rain Man“) ab. Der muss sich für seinen Film über den legendären Mafioso Whitey Bulger vermutlich einen neuen Hauptdarsteller suchen, wie vor einigen Tagen zu lesen war. Depp macht, was er will. Weil er’s kann. Dem Mann gehört eine Insel in den Bahamas, da muss man nicht mehr allzu viele Kompromisse eingehen.

Qualität zur Selbstironie

Dabei war er zunächst einmal der staunende Junge mit dem sanften Blick und dem klaren Gesicht, hinter dem etwas Abgründiges zu lauern schien. Das war es, was Johnny Depp seit den 90er-Jahren zum Idealfall für die düsteren Märchen und schrillen Grotesken des Magiers Tim Burton machte: „Edward mit den Scherenhänden“, „Sleepy Hollow“, „Sweeney Todd - der teuflische Barbier aus der Fleet Street“ oder „Dark Shadows“.

Doch Burton ließ Depp nicht nur als hilfloses Objekt durch seine morbiden Phantasien tapern, sondern nutzte stets dessen Qualität zur Selbstironie. Eine mehr als erfolgreiche Zusammenarbeit, auch wenn ihr schönster Film nur auf mäßiges Interesse beim Publikum stieß: Das rührende Porträt des schlechtesten Filmregisseurs aller Zeiten, „Ed Wood“, gehört zu Depps besten Auftritten überhaupt.

Undurchsichtige Verführer

Aber auch ohne Burton an seiner Seite lotet Depp in seinen Rollen die menschlichen Untiefen aus, spielt gerne exzentrische Chaoten wie in Terry Gilliams hinreißend anarchischem Drogenspektakel „Fear and Loathing in Las Vegas“. Aber auch Gangsterbosse („Public Enemies“) und Polizisten („Donnie Brasco“, „From Hell“) bringt er überzeugend auf die Leinwand, nette Außenseiter („The Rum Diary“) und Wahnsinnige („Das geheime Fenster“) liegen ihm ohnehin. Seine Rollenauswahl ist intelligent, die Filme, in denen er spielt, sind es meistens auch und er selbst ist eines sicherlich nie: langweilig.

Hippiehafter Charme

Natürlich hat Johnny Depp nicht nur als „Don Juan de Marco“ stets den undurchsichtigen Verführer mit weich fallendem Haar im Repertoire, dessen sinnlichem Lächeln oder hippiehaftem Charme die schönen Frauen nur zu gerne verfallen. So wie Juliette Binoche in Lasse Hallstroms zauberhafter Romanze „Chocolat“.

Verewigt aber hat er sich bei den Massen beiderlei Geschlechts vor allem als Käpt’n Sparrow mit Zottelkopf und blitzenden Goldzähnen. Der fünfte „Fluch der Karibik“ ist in der Planung, soll 2015 in die Kinos kommen. Mit Depp. Ohne Bauchansatz.