Marl. . Theaterautorin Yasmina Reza („Der Gott des Gemetzels“) ist bekannt dafür, dass sie komplizierten Vorgängen mit großer Leichtigkeit begegnet. Bei den Ruhrfestspielen ist jetzt das neues Stück „Ihre Version des Spiels“ zu sehen. Vergleichsweise schwere Kost, aber prominent besetzt.

Eine lokale Sensation: Die prominente Schriftstellerin Nathalie Oppenheim kommt in die Mehrzweckhalle von Vilan-en-Volène, um dort über ihr neues Buch zu sprechen. Der brave Ortsbibliothekar Roland Boulanger (Oliver Urbanski) hatte sie eingeladen, die Kulturjournalistin Rosanne Ertel-Keval (Tatja Seibt) wird sich mit ihr unterhalten. Ein rundum gelungenes Projekt also? Nein, denn natürlich läuft die Sache wieder so gründlich aus dem Ruder, wie man es bei Yasmina Reza gewohnt ist. Das jüngste Stück der französischen Erfolgsautorin „Ihre Version des Spiels“ ist jetzt als Koproduktion mit dem Hamburger St. Pauli-Theater bei den Ruhrfestspielen zu sehen.

Der Umgang mit Literaten

Eins ist diesmal anders. Yasmina Reza wendet sich dem Thema zu, das ihr ureigenstes ist: der Literatur und dem Umgang mit Literaten. Die Literatin im Stück ist Nathalie Oppenheim (Hannelore Hoger), der die Unabhängigkeit der Literatur von der Biographie des Autors wichtig ist. Interviewerin Rosanne hingegen will die ganz persönlichen, intimen Anteile in ihrem Werk herausfragen. Unversöhnliche Auffassungen davon, was Literatur ist oder sein sollte, prallen aufeinander, gepaart mit einer konkurrenzhaften Antipathie, die sich bis zum Eklat steigert.

Was macht aus Texten Literatur?

Vergleichsweise schwere Kost, das merkt man schnell, gelangt hier ins Angebot. „Ihre Version des Spiels“ beschreibt nicht wohlig die trügerische Sicherheit bürgerlicher Existenz, sondern fragt energisch nach: Was soll, was kann sie leisten, was überhaupt macht aus Texten Literatur? Und hat das alles einen Sinn?

Möglicherweise um die Thesenhaftigkeit des Stoffes etwas abzufedern, macht Reza die Hauptfigur aus Oppenheims neuem Roman zu so etwas wie ihrem Sprachrohr. Die ist wie ihre Schöpferin Schriftstellerin und hat ein Buch geschrieben, deren Hauptfigur wiederum Schriftstellerin ist, und alle schreiben in der Ich-Form, was Unterscheidungen manchmal erschwert. Es gibt eben unendlich viel zu sagen, wenn es um Literatur geht, und deshalb wird aus dem neuen Roman – und aus dem Roman im Roman - reichlich zitiert.

Bürgermeister schwadroniert

Doch der missionarische Eifer, den man von Yasmina Reza bisher nicht kannte, nimmt dem Stück viel von seiner Leichtigkeit. Es kommt nur sehr langsam in Schwung, und als Parodie auf Sinn und Unsinn von Autorenlesungen in der Provinz bleibt es bis zum Schluss zu schwach. Yasmina Rezas meisterliche Beschreibungen grotesker Eskalationen, die gleichwohl auch in diesem Stück wieder ein zentrales dramatisches Werkzeug sind, wünschte man sich in Ulrich Wallers Hamburger Inszenierung deutlicher herausgearbeitet. Doch echte Dialoge bleiben rar; meistens wird nach vorne, in den Zuschauerraum, gespielt. Neben der unerschütterlichen Hannelore Hoger laufen die anderen Darsteller so Gefahr, nurmehr Stichwortgeber zu sein.

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Aber der Schluss bleibt heiter. Auf der Cocktailparty nach der Lesung sind die Querelen vergessen, Volker Lechtenbrink als Bürgermeister versorgt sich und seine Umgebung mit Getränken und schwadroniert sehr unterhaltsam über Literatur, Literaten und Lokalpolitik.