Dortmund. .

Justin Bieber kommt nicht. Nach einer Stunde Wartezeit schlägt die Vorfreude in Frust um, mit Pfiffen und Buh-Rufen machen sich einige der 8500 Konzertbesucher am Freitagabend in der Dortmunder Westfalenhalle Luft.

„Das ist schon unverschämt“, findet Sonja Meya, „und langsam unverantwortlich: Die Luft hier drin wird immer stickiger und einige haben ja auch noch eine weite Heimfahrt vor sich“, sagt sie, mit Blick auf den Stundenzeiger, der Richtung neun kriecht. Tochter Elena kann nichts die Laune verderben: „Ich weiß, dass er gleich kommt“, beteuert die Zwölfjährige mit funkelnden Augen. „Da kann er doch nichts für!“ Die Mutter brummt: „Durch diese Aktion macht er sich auch nicht sympathischer.“

Dann hebt die Musik an, ein befreiender Aufschrei geht durch die Menge: Er wird singen! „Zehn Minuten weniger als in London! Die haben zehn Minuten länger gewartet!“, jubelt ein Mädchen in den Countdown hinein. Der Abend ist gerettet. Zwei Stunden und 20 Minuten nachdem die Vorband das Feld geräumt hat, schwebt ein pompöser Engel mit überdimensionalen silbernen Flügeln und im weißen Anzug auf die Bühne: Justin ist da!

Was folgt, ist eine Mischung aus Konzert, Comic und Actionfilm. Eine riesenhafte Kulisse sorgt für beste Unterhaltung, die Musik untermalt Justins Talent, sich in Szene zu setzen. Mal flieht er gewieft vor einer Truppe Söldner, mal ist er plötzlich von der Bühne verschwunden und taucht im Großleinwand-Video zwischen schwimmenden Meerjungfrauen wieder auf.

Eine perfekte Show voller Posen

Tatsächlich geht eher die Stimme des Sängers baden im Trubel der Musik, der Showeffekte, der Feuerfontänen. Selbst wenn er seine Fans direkt anspricht, braucht es manchmal zwei Anläufe, bis sie Justins Worte mit Jubel quittieren. Aber der kann auch ohne Worte viel sagen: Justin zwinkert, Justin äugt unter der Hutkrempe hervor – ganz verletzlich, ganz Verführer. Immer wieder gewährt er einen Blick auf den gut geformten Körper.

So perfekt, so clean ist diese Show, dass man sich bei vielem fragen muss: War das jetzt echt? Zum Beispiel die Singer-Songwriter-Einlage: Justin präsentiert sich nur mit seiner Gitarre auf einem Kran über der Menge, Justin am weißen Flügel, Justin stürzt sich aufs Schlagzeug, Justin in enger Umarmung mit einem Mädchen aus dem Publikum.

Wäre dies ein Date, die Bilanz fiele verheerend aus: Mehr als zwei Stunden Warten auf einen Prinzen, der kein Wort der Entschuldigung findet, der nur etwas mehr als eine Stunde bleibt und sich so sehr in Pose wirft, dass es schwer fällt, ihm noch etwas zu glauben.