Oberhausen. Wir lassen uns das Träumen nicht verbieten: Der Spaßpunk-Sänger und Theaterregisseur richtet am Theater Oberhausen ein „theatrales Bürgerkonzert“ ein, mit dem es leichter fallen soll, den Kopf oben zu behalten und nicht zu glauben, dass das Wünschen nichts mehr hilft – aller Finanzkrise zum Trotz.

. Es ist ja wahr: Nur wer für einen Moment heraustritt aus dem geschäftig ratternden Beschleunigungsalltag, bekommt einen Blick aufs Ganze. Darauf, wie es tickt. Vielleicht sogar auf die eigene Rolle darin. Manche gehen dafür zum Psychiater, Schorsch Kamerun lockt dazu ins Theater, das ungleich vergnüglicher und verrückter zugleich sein kann. Der Sänger der Fun-Punk-Band „Die Goldenen Zitronen“ steigt Routinebetrieben jeder Art gern auf die Bremse und schlägt daraus Funken für Ironiepopsongs, gerade wieder mit dem neuen Album „Der Mensch lässt nach“. Seit zehn Jahren hat sich Kamerun aber auch im Mittelstand der Theaterregisseure etabliert, etwa bei der Ruhrtriennale („Westwärts“, 2008), im Düsseldorfer Schauspielhaus („Sender Freies Düsseldorf“, 2012) und am Theater Oberhausen („Abseitsfalle“, 2010).

Zwischen Tante und Raumstation

Dort nun hat Kamerun mit Motiven von Lewis Carolls Kindermärchens „Alice im Wunderland“ ein „theatrales Bürgerkonzert“ eingerichtet, anderthalb Stunden lang, in denen zwei Dutzend Freiwillige die Bühne bevölkern, sobald sich der Blick auf die von Katja Eichbaum eingerichtete Traumlandschaft im Irgendwo von Außen und innen öffnet und sich das Theater auf eine halluzinogene Wunsch­erforschungs- und -erfüllungs-Expedition begibt. Der eine möchte mal den RWO trainieren, der andere würde gern Tante Mathilde pünktlich gratulieren. Die eine möchte gern in der Raumstation schweben, der andere noch einmal im Labor stehen.

Und all diese Träume werden wahr in der Stadt, in der früher die „Gute Hoffnung“ mit einer Hütte verbunden war. Werden nun (mit Hilfe filmischer Tricktechnik) wahr im „Wunderland Beste Hoffnung“ auf der Theaterbühne, wo zugleich die Menschen aus Oberhausen Waffeln backen und Grünpflege treiben und Menschen in Schwierigkeiten beraten. Wir leben ja schon unseren Traum, manchmal, auch wenn das nur wieder klingt wie ein Spruch aus der Werbung: Theaterleben auf dem schmalen Grat zwischen Naivität und Ironie. Wie man aber überlebt auf den schwindelerregenden Bahnen der permanenten Selbstopitimierung, der Neurose unserer Zeit, weiß auch Alice nicht, die sich in eine Brandy verwandelt hat (traumwandlerisch uneindeutig: Manja Kuhl), die eigentlich Brandaus heißt und zunächst einmal recht ausgebrannt daherkommt. Auch sie hat es schwer, zu unterscheiden, zwischen Dschungelcamp-Bewohnern und Filmstars, zwischen Eskapismus und Utopie, zwischen Ersatz- und Gegenwelten.

Diskursprosa-Brocken

Wir lassen uns das Träumen nicht verbieten, auch in der Finanz-Misere nicht, ist der Refrain dieser Inszenierung, die so schöne Einwände kennt wie „Ich war doch noch nicht zu Ende gescheitert!“, aber manchmal auch mit Diskursprosa-Brocken nur so um sich wirft. So werden von ihr am ehesten ein paar gute Songs mit Melodien des fröhlichen Trotzens in Erinnerung bleiben: „Wenn Silvester fällt auf den 1. Mai, dann ist Oberhausen schuldenfrei!“

Termine: 22. Februar, 1., 2., 17. März. Karten: Tel. 0208/8578-184.