Berlin. . Sie wollten mal über den Tellerrand hinausschauen. Sie wollten in Berlin darauf verweisen, dass das Ruhrgebiet auch ein Kunstraum ist. Doch die 20 Museumsleiter aus dem Revier mussten erkennen, dass man in Berlin gern unter sich bleibt. Und keine Ahnung hat von der Szene NRW.

Gegen 20 Uhr platzt Walter Smerling der Kragen. „Wir sind hier, um mit Ihnen über die Ruhrkunst zu diskutieren“, fährt der Chef der Duisburger Küppersmühle das Publikum in der Neuen Nationalgalerie an. „Das wird aber schwierig, wenn Sie uns nicht zuhören.“ Die Szene spricht Bände: 20 Kunstmuseen aus dem Revier wollen sich derzeit gemeinsam Gehör verschaffen – dringen aber nicht immer durch.

„Sie werden noch von uns hören!“, ruft Hans Günter Golinski ins Publikum. Minutenlang hat der Bochumer Museumsleiter und Sprecher des Netzwerks der 20 Ruhrkunst-Museen gegen die lautstark plaudernden Gäste angeredet. „Wir sind nicht nur ein Marketing-Netzwerk, wir sind eine kulturpolitische Kraft!“ Da sind die ersten schon wieder auf dem Weg zur Garderobe. Sie hören nicht mehr, wie Markus Lüpertz vom Podium herab schimpft: „Ist jetzt endlich Ruhe? Warum soll ich hier reden, wenn alle reden?“

300 Gäste eingeladen

Rund 300 Gäste sind auf Einladung der 20 Kunstmuseen und der Ruhr-Touristiker am Mittwochabend zum ersten Neujahrsempfang des Netzwerks nach Berlin in die Neue Nationalgalerie gekommen. Die Laune ist gut – doch höchstens jeder Zweite interessiert sich an diesem Abend ernsthaft für das Anliegen der Gastgeber. Typisch Berlin? Oder typisch Ruhrgebiet? „Die Ruhrkultur hat, national betrachtet, ein Aufmerksamkeitsdefizit“, sagt Bundestagspräsident Norbert Lammert. „Überfällig“, findet es der Bochumer, „dass sie sich jetzt in Berlin in Szene setzt.“

Streicheleinheiten und Nackenschläge

Im Kulturhauptstadtjahr 2010 haben sich 20 Kunstmuseen zwischen Duisburg und Hamm zusammengetan. Es ist die weltweit größte Dichte von Museen moderner Kunst. In Berlin holen sie sich an diesem Abend beides – Streicheleinheiten und Nackenschläge. „Kultur ist ein harter Standortfaktor“, bescheinigt Staatsminister Bernd Neumann (CDU) den von Sparzwängen gequälten Museumsleuten. Die von der rot-grünen NRW-Regierung geplante Kürzung des Kulturetats um 16 Millionen Euro sei „eine Hiobsbotschaft“. Auch Udo Kittelmann, Direktor der Neuen Nationalgalerie, steht hinter seinen Kollegen im Revier: „Wir brauchen uns alle.“ Museen sollten sich nicht als Konkurrenten sehen, sondern die Zusammenarbeit verstärken. Sein Vorschlag angesichts leerer Ankaufskassen: „Warum nicht öfter Kunstwerke gemeinsam erwerben?“

Unscharfes Bild der Revier-Szene

Gleichzeitig zeigt sich, wie unscharf das Bild der Ruhrkunst-Szene ist, von Berlin aus betrachtet: Kunstprofessorin Christiane Möbus findet die Kunst-Aktivitäten im Ruhrgebiet sehr interessant – besonders „auch die Kölner Messe“. Julia Apitzsch von der Studienstiftung des deutschen Volkes wünscht sich bezahlbare Ateliers für den Künstlernachwuchs. „Da kann die Provinz ihren Beitrag leisten.“ Provinz? „Wir sind eine Metropolregion“, wird sie korrigiert. Doch auch im Ruhrgebiet hat das längst nicht jeder verinnerlicht. Der neue Folkwang-Chef Tobia Bezzola etwa bildete jüngst auf die Frage nach seiner kulturpolitischen Nachbarschaft lieber ein Museumsdreieck mit Essen, Düsseldorf und Köln.

In fünf Wochen ist die Ruhrkunst wieder in Berlin: Bei der Internationalen Tourismusbörse (ITB) wollen die 20 Museen für sich werben. Sie lassen nicht locker.