Washington. Im Kino glänzt er stets als unfehlbarer Held, jetzt enthüllt ein gerade in Amerika erschienenes Buch die Schattenseiten von Tom Cruise. Lawrence Wright hat darin die Schlüsselrolle des Schauspielers in der Psycho-Sekte Scientology freigelegt. Der US-Autor schildert die engen Verbindungen zwischen Cruise und Scientology-Boss David Miscavige und weist die menschenverachtenden Praktiken der Sekte nach.
Wer Tom Cruise nie leiden mochte, wird ihn nach diesem Buch vielleicht hassen. Mindestens aber bemitleiden. In seinen gerade in Amerika erschienenen Enthüllungen über Scientology hat der US-Autor Lawrence Wright die Schlüsselrolle des Schauspielers in der Psycho-Sekte freigelegt. Cruise ist demnach seit 1986 das Promi-Aushängeschild schlechthin für den von L. Ron Hubbard gegründeten Kult, der sich seit Jahren weltweiter Kritik ausgesetzt sieht.
Wrights detaillierte Schilderungen in „Going Clear. Scientology, Hollywood and the Prison of Belief“ über die engen Bande zwischen Cruise und Scientology-Boss David Miscavige, der dem Mimen Ehen gestiftet und beendet haben soll, beantworten allerdings nicht die Frage, die der Schauspieler Josh Brolin („No Country for Old Men“) einmal so stellte: Wie können sich Menschen, die großartige Karriere-Entscheidungen treffen, einem derart obskuren Glauben unterwerfen?
Anhaltspunkte geben eher die Passagen von Spanky Taylor, die in den 70er Jahren John Travolta an die Sekte band. So sei der Hollywood-Star ausgerechnet zum Start seiner Karriere mit dem Film „Saturday Night Fever“ ein tief unglücklicher Mensch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens gewesen. Scientology bot Halt, so Wright, hielt den Künstler gleichwohl wegen einer versteckt gelebten Homosexualität nicht für gesellschaftsfähig.
Hunde von Scientology-Führer stehen ganz oben in der Sekten-Hierarchie
Hubbard betrachtete Schwule immer als krank. Eine Charakterisierung, die jetzt unterschwellig Miscavige untergeschoben wird. Laut Wright hält sich der braun gebrannte Sekten-Führer fünf Beagle-Hunde, für die eigens blaue Westen mit goldenen Epauletten und Abzeichen genäht worden seien, die ihren hohen Rang in der Scientology-Hierarchie bezeugen sollten. Wuff.
Miscavige stecke auch hinter dem so genannten „Loch“ - ein Wohnwagenpark der Sekte in der kalifornischen Wüste, wo Abtrünnige wie in einem Straflager gehalten und geschlagen würden. Die „New York Times“ bilanziert Wrights Recherchen mit einem delikaten Befund: Scientology könne man institutionell wohl nur mit der kommunistischen Partei in ihren besten Zeiten vergleichen.
Zentraler Auskunftsgeber für Lawrence Wright ist Hollywood-Regisseur Paul Haggis. Der für sein Drehbuch zu „Crash“ mit dem Oscar belobigte Filmemacher kehrte der Sekte nach 34 Jahren den Rücken, weil er die „menschenverachtende“ Haltung gegenüber Homosexuellen nicht mehr ertragen konnte. Seine Töchter sind lesbisch. Als sich Haggis, der die zweithöchste Erkenntnisstufe eines Thetan VII besaß, Wright vor zwei Jahren für einen Artikel im Magazin „New Yorker“ umfänglich öffnete, schoss die Gegenseite aus allen Rohren zurück und setzte eine Armada von Anwälten in Bewegung.
Autor deckt Misshandlungen und Erpressungen bei Scientology auf
Wright kann mit den Anwürfen leben. „Es ist eine monumentale Aufgabe, die Geschichte einer feindseligen Organisation zu schreiben, die ihre Daten versteckt und ihre Vergangenheit verschleiert.“ Um sich erneuten juristischen Komplikationen zu erwehren, stellte er in seinem neuen Buch fast jedem Vorwurf direkt das Dementi der Sekte entgegen, die zusätzlich eine Internetseite geschaltet hat (http://www.lawrencewrightgoingclear.com), um Wright herabzuwürdigen.
Was dieser zu Misshandlungen ungehorsamer Mitglieder, Gehirnwäsche, Freiheitsentzug, Erpressungen, erzwungenen Abtreibungen, Beziehungstrennungen und anderen Schändlichkeiten aufgeschrieben hat, ist in seiner Dichtheit und Quellenlage beispiellos. Obwohl der amerikanische Verlag Knopf vor Drucklegung wochenlang Fakten-Checks durchgeführt hat, schrecken kanadische und britische Lektoren aus Furcht vor Schadensersatzklagen vor einer Veröffentlichung bisher zurück.
Wrights Glaubwürdigkeit steht dabei laut „New York Times“ außer Zweifel. Sein Buch über El Kaida und den 11. September 2001 („Der Tod wird euch finden“) wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Für die aktuelle Arbeit hat er über 200 Gespräche mit amtierenden oder ehemaligen Mitgliedern der Sekte geführt und Tausende Dokumente ausgewertet. Wer sich durch die knapp 450 Seiten durchgearbeitet hat, versteht besser, was Sektengründer Hubbard seinen Jüngern einmal persönlich als Geschäftsprinzip aufgetragen hat: „Um einen Menschen auf dem Scientology-Weg zu halten, füttere ihn mit einem Mysterium-Sandwich.“