Köln. . Der Verleger Stefan Lübbe lotet die virtuelle Welt so konsequent aus wie kein anderer. Er experimentiert mit E-Books und einem digitalen Serienroman.

Jeremiah Cotton ist Cop in New York. Denn als junger Mann musste er am 11. September 2001 mitansehen, wie seine Eltern und seine Schwester starben. Da hat er geschworen, gegen Verbrechen und Terror zu kämpfen.

Sandra ist „Sachensucherin“, sie spürt Dinge auf, die andere verloren haben. Ihr Arbeitsplatz ist der Coffeeshop, ein gemütliches Berliner Café. Hier trifft sie täglich ihre Freunde: Nils, den Captain und Klaudi, die ihr Leben lückenlos bei Facebook dokumentiert.

Jeremiah und Sandra kennen ein­ander nicht, auch wenn sie im selben Universum unterwegs sind: der virtuellen Welt unbegrenzter Erzählmöglichkeiten, die der Kölner Lübbe-Verlag so konsequent auslotet wie kaum ein anderer deutscher Verlag. Die Jerry-Cotton-Neuauflage gibt es monatlich als Ebook oder als „Read & Listen“-Version fürs iPad. Und der Coffeeshop ist ein wöchentlicher digitaler Serienroman, den eine App mit Filmen und Musik ergänzt – produziert in Zusammenarbeit mit einer Medienfirma.

Große Gewinne lassen noch auf sich warten

Weder Cotton noch der Coffeeshop werfen bisher große Gewinne ab, das gibt Verleger Stefan Lübbe gutgelaunt zu. Sie sind Experimente, die er sich leistet. Im Jahr 2011 hat die Bastei Lübbe GmbH über 872 Millionen Euro Umsatz gemacht, die Rendite lag bei über neun Prozent. 2012 wird sie sich im gleichen Bereich bewegen.

Der Verlagsbranche geht es schlecht, die Verlagsbranche jammert. Lübbe geht es gut. Wie geht das?

Stefan Lübbe sitzt entspannt in seinem Büro, die Glasfront hinter ihm zeigt einen weiten Blick über Köln. 2010 ist der Verlag von Bergisch-Gladbach hergezogen auf das Carlswerk-Gelände in der Schanzenstraße – ein cooler, junger Ort im Backsteingewand. Vier Jahre zuvor hatte Stefan Lübbe die Anteile seiner Schwester Cornelia am Verlag gekauft, um allein in die Fußstapfen seines Vaters Gustav Lübbe zu treten. Dieser hatte den Verlag vor 60 Jahren gegründet und mit den Bastei-Lübbe-Heftchenromanen zum Erfolg geführt.

Vertrauensvolles Verhältnis zu Autoren

Auch für Stefan Lübbe heißt der Auftrag: „Wir wollen unterhalten“ - allerdings schiebt er sofort ein globalisiertes „Wir wollen en­tertainen“ hinterher. „Dieser Tage werden wir alle unsere Inhalte, die Werke aller Autoren, weltweit anbieten – auf Englisch, Mandarin, Spanisch Japanisch, Russisch und so weiter“, schwärmt der 55-Jährige von der internationalen Ebook-Vermarktung seines Hauses, für die er eigens eine Juristin für den internationalen Vertrieb eingestellt hat.

Nun ist Stefan Lübbe durchaus ein Freund von gedruckten Büchern – und ihrer Autoren. Mit seinen Bestseller-Schreibern Dan Brown, Ken Follett oder auch der Mönchengladbacherin Rebecca Gablé ist er vertrauensvoll verbunden in einem „charmanten Inhalte-Netzwerk“. Dennoch sieht er in der Angst vor „diesem ganzen Online-Gedöns“ eine „Albernheit“: „Sagen wir, du hast eine Flasche Milch. Aus der Milch kann man Sauercreme, Joghurt oder Butter machen – der Inhalt ist der gleiche, nur die Form ist anders.“

Folgerichtig hat der Lübbe-Verlag die Sparten Hardcover und Paperback längst ergänzt um Audio und Digital. Stefan Lübbe glaubt, dass die Formate sich nicht ausschließen, sondern ergänzen: „Am Morgen liest du zuhause das Buch. Du packst die Koffer, hörst im Auto das Hörbuch, liest im Flieger weiter auf dem Ebook, kommst an – und liest im Hotel wieder das Buch.“

„Zeitschriften zu machen wäre mein Traum"

Der Expansionskurs seines Hauses, der jüngst die Kinderbuch-Verlage „Boje“ und „Baumhaus“ kaufte und den Berliner Verlag „Quadriga“ gründete, gipfelte zuletzt in der überraschenden Übernahme des angeschlagenen, eher intellektuellen Eichborn-Verlags. Dieser lieferte unter dem neuen Lübbe-Dach umgehend einen Bestseller: Timur Vermes’ Roman „Er ist wieder da“. Felix Rudloff, der als Eichborn-Chef angestellt wurde, ist in die Lübbe-Geschäftsführung aufgerückt. Was kommt als nächstes?

„Zeitschriften zu machen wäre mein Traum, mein Wunsch.“ Schließlich hat er da Erfahrungen. Dem Verlag hat einst unter anderem das „Goldene Blatt“ gehört, das 2003 an die WAZ-Gruppe verkauft wurde. Und er war der größte Rätselzeitschriften-Verlag, bevor die „Bastei Rätsel“ verkauft wurden. Seit Ende 2012 gehört ihm nun die PMV Partner Medien Verlagsgesellschaft mbH, die im laufenden Jahr 25 Rätsel-Magazine mit 150 Ausgaben heraus brachte.

Für ein weiteres neues Geschäftsfeld des Lübbe Verlags begeistern sich schon jetzt auch „viele Journalisten“, jedenfalls diejenigen, „die immer schon mal selbst ein Buch schreiben wollten“, so Pressesprecherin Barbara Fischer: Die „Bastei Lübbe Academy“ bietet nicht ganz billige Autorenseminare an, die unter anderem von Andreas Eschbach (Krimi), Eva Völler (Liebesroman) oder Richard Dübell (Historien-Epos) geleitet werden. Die verlagseigene Autorenschule: Auch ein guter Weg, die Bestseller von morgen schon heute zu entdecken.

Info

Im April eröffnet der Lübbe-Verlag in Köln einen eigenen Buchladen: In dem „Concept-Store“ werden auch Artikel des Geschenkeartikel-Herstellers Räder verkauft, der seit 2011 ebenfalls zum Lübbe-Verlag gehört. Die „neue Art der Buchpräsentation“ soll auch anderen Buchhändlern „zur Verfügung gestellt werden“.