Düsseldorf.. Der Roman von Swetlana Alexijewitsch durfte erst 40 Jahre nach Kriegsende gedruckt werden: Die Autorin hatte dafür Frauen nach ihren Erlebnissen befragt. Das Düsseldorfer Theater bringt ihre Geschichten nun auf die Bühne: „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“.
„Ich bin Historikerin der Seele. Ich will Geschichten der Gefühle schreiben.“ Mit diesen Worthülsen versucht Swetlana Alexijewitsch die mürrischen Frauen zu beschwichtigen, die sie für ein Buch interviewen will. Sie sollen vom Horror des Vaterländischen Kriegs erzählen, in dem sie an der russischen Front kämpften, als Panzerkommandantin, Partisanin, Krankenschwester oder Pilotin. Doch werden die Veteraninnen, die Alexijewitsch vor ihr Mikrophon zerrt, immer misstrauischer. Sie fürchten dass ihre Kinder, wenn sie das Buch „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ lesen, in ihren Müttern keine Heldinnen mehr sehen werden. So zumindest deutet Michal Borczuch das gleichnamige Buch der Weißrussin Swetlana Alexijewitsch aus den 80er-Jahren und bringt es jetzt als einen suggestiven Theaterabend in Düsseldorf heraus.
Ihm geht es nicht um einen Geschichts-Abend mit Zeitzeugen. In beklemmenden, manchmal surrealen Bildern und mit mutigen, wandlungsfähigen Darstellerinnen beleuchtet der polnische Jungregisseur Borczuch (33) aus Krakau vielmehr die Unmöglichkeit, über die barbarischen Erlebnisse zu sprechen, geschweige denn sie zu verarbeiten. Selbst nicht 40 Jahre nach Kriegsende.
Der Doku-Roman mit Hunderten von Interviews der heute 64-jährigen Alexijewitsch war in der damaligen Sowjetunion vom Zensor verboten und durfte erst nach Gorbatschows Perestroika gedruckt werden. Die Regie benutzt ihn aber nur als Grundlage für eine Szenen-Collage. Geschickt und effektvoll montiert von Borczuch, der demnächst mit Regiestar Patrice Chéreau in Frankreich arbeiten wird, und seinem Dramaturgen Tomasz Spiewak.
Sex, Gewalt und sibirische Kirschen
In ihrer Spielfassung werden auf leerer Bühne mit wenig Requisiten die Absurditäten der Interview-Situation vorgeführt: Die Sowjet-Heldinnen mampfen Kuchen und Pirogen mit sibirischen Kirschen, während Alexijewitsch Einzelheiten über Grausamkeit, Sex und Vergewaltigung zwischen Bombenhagel und Belagerung erfahren will. Karin Pfammatter, Elena Schmidt, Janina Sachau, Mareike Hein und Claudia Hübbecker bescheren dabei nicht nur subtile Momentaufnahmen, sondern einen tief berührenden Theaterabend.
- Termine: 28., Dez. 2012, 8., 11., 16., 20., 30. Jan 2013.
Tel: 0211/ 36 99 11