Washington. . Deutschlands Superstar Grönemeyer will ab Februar mit seiner neuen englischsprachiger Platte auch Amerika erobern. In Washington gab er jetzt bei einem intimen Konzert in der Botschafter-Residenz einen kleinen Vorgeschmack – „zum Weinen schön“.
Es gab Zeiten, da hatte Herbert Grönemeyer zu den Vereinigten Staaten ein eher gespanntes Verhältnis. Auf seinem Durchbruch-Album „4630 Bochum“ widmete der deutscheste aller deutschen Rock-Pop-Liedermacher-Stars dem Giganten jenseits des Atlantiks ein Lied, in dem es greinend heißt: „Ich habe Angst vor deiner Phantasie...vor deinem Ehrgeiz, Amerika, Oh Amerika.“ Jugendsünden. Fast 30 Jahre her. Heute klingt das ganz anders. „Ich liebe die positive Energie in den USA, hier kann ich aufladen und mich anregen lassen“, sagte der Wahl-Londoner am Donnerstagabend bei seiner allerersten Visite in Washington.
Deutschlands Botschafter Peter Ammon und seine Frau, beide Liebhaber des gepflegten Gesangs, hatten Grönemeyer in ihrer Residenz eine kleine Bühne geboten, von der aus im nächsten Jahr gelingen soll, was Herbie noch fehlt: ein Standbein im amerikanischen Musikmarkt. In den USA wissen nur Insider, dass der blonde, freundliche Mann in der Heimat 18 Millionen Tonträger verkauft hat. Wenn Grönemeyer hier auf der Straße erkannt wird, dann allenfalls als Leutnant Werner aus dem 1981er Film „Das Boot“.
Um die Gewichte zu verschieben, um sich auszuprobieren „an etwas Neuem, weil sonst rostet man ja ein“, hat der Verehrer des großen amerikanischen Zeitgeist-Sezierers Randy Newman mit „I Walk“ ein allein auf anglo-amerikanische Hörgewohnheiten zielendes Album eingespielt. Anders als die Ende der 80er Jahre zusammengeboßelte Mischung „What’s all this““ (Was soll das...) oder die eher hemdsärmelig übersetzten Alben „Luxus“ und „Chaos“ atmet die Platte, auf der Hits wie „Flugzeuge im Bauch“ trotz anfangs gewöhnungsbedürftiger Übersetzungskunst („Airplanes In My Head“, heißt es nun...) überzeugen, Originalität und musikalische Raffinesse.
„Zum Weinen schön“
Drei Songs auf der in Deutschland nur spärlich beworbenen Platte, die im Februar in den USA in die Läden kommt, sind frisch komponierte Unikate. Um schneller an die launische US-Kundschaft andocken zu können, hat sich Grönemeyer mit erlesenen Zuarbeitern umgeben. Auf „Mensch“ schmettert U-2-Gutmensch Bono munter mit. Bei „To the Sea“ (Zum Meer) greift James Dean Bradfield von den „Manic Street Preachers“ prächtig zur Gitarre. Und die gelungenste Kooperation – „Will I Ever Learn“ – mit dem wundervollen Antony Hegarty („Antony an The Johnsons“) erzeugt schon beim ersten Hören Gänsehaut. Im weihnachtlich ausgeleuchteten Foyer der Botschafts-Residenz spielte Grönemeyer den Song allein am Klavier mit so viel Leidenschaft, dass für einen Moment das Klicken der Foto-Apparate verstummte. Ein deutsch-amerikanisches Professoren-Paar, befand später beim Buffet ehrlich ergriffen: „Zum Weinen schön.“
Zwischen Gefühl und Schmalz
Wer die neue CD durchhört, stellt fest, dass Grönemeyers Markenzeichen, die Gratwanderung zwischen Gefühl und Schmalz, unter Einsatz einer fremden Zunge keinen Schaden nimmt. Im Gegenteil. Die schwer singbare Bedeutungsschwere, die das Deutsche oft mit sich bringt, ist gewichen, weil „sich englischer Text viel leichter über die Musik legen lässt“. Vielleicht darum verliert eine Perle der Pop-Poesie wie „Mensch“ auch durch die Übersetzung nicht an Strahlkraft. „A man’s called man/cause we forgive and understand/we forget and we deny/we lose and still we try/cause we love/cause we live/I miss you“.
Heimspiel für Herbert
„Hab ja nix zu verlieren“
Weil in den USA andernorts erzielter Erfolg kaum zählt, muss sich auch ein Grönemeyer, der in Deutschland wie Westernhagen überlebensgroß erscheint, hinten anstellen. Zwecks Verbreitung der Kunde, dass demnächst ein „old kid on the block“ sein wird, ließ der Künstler ein Konzert in Potsdam (mit Bono) mitschneiden und in den USA dem einzigen öffentlich finanzierten Radio-Netzwerk PBS zukommen; in der Hoffnung, dass sich eine angegliederte Station nach der anderen „I Walk“ annimmt und so den Boden bereitet für die Live-Konzerte mit Band im Februar, darunter eines im altehrwürdigen Beacon-Theatre in New York. Ob er schon Lampenfieber verspürt? „Klar, doch, ist ja eine andere Welt“. Andererseits: „Wird gut, hab’ ja nix zu verlieren.“ Der Umstieg in die Weltsprache des Pop macht ihm sichtlich Spaß. In Washington war Grönemeyer die selbstironische Lebensfreude in Person. „Die Deutschen denken, ich kann nicht singen“, sagte er lachend zwischen zwei Stücken, „dabei habe ich ehrlich eine schöne Stimme.“ Die Gabe zur einprägsamen Phrase nicht zu vergessen. Wie das für ihn ist mit dem Musikmachen und Komponieren nach all den Jahren, fragte der WDR-Korrespondent Ralf Sina Grönemeyer beim Plausch vor des Botschafters Weihnachtsbaum. Antwort: „Wie Küssen – man hört nie auf damit.“