Essen. . Das Museum Folkwang versammelt 146 Meisterwerke zum neuesten Familientreffen der Moderne – von Väterchen Vincent van Gogh bis zum jung-wilden Wassily Kandinsky. „Munch, Matisse und die Expressionisten“ bietet Einblicke in die Revolution der Bilderwelt zwischen 1905 und 1911.

Es ist nicht schwer, der neuen Groß-Ausstellung im Museum Folkwang große Besucherströme vorherzusagen – und es ist beinahe noch leichter, in dieser Ausstellung in jene Verzückung zu geraten, den schon der Titel „Im Farbenrausch“ verheißt. Das sollte aber niemanden davon abhalten, sich jedem einzelnen der 146 hochklassigen Gemälde zu widmen. Schließlich sind sie zum Teil um den halben Globus gejettet, aus New York, Australien und St. Petersburg – zur zehnten XXL-Ausstellung des Folkwang zur Moderne (und der ersten, die RWE sponsert).

Es ist eine Art Familientreffen im hellen Licht dieses Museums geworden: Van Gogh (immer wieder schön!) und Cézanne (immer noch schön!) treten als bahnbrechende Großväter auf. Henri Matisse und Edvard Munch als wegbereitende Väter – und die französischen „Fauves“ zusammen mit den deutschen „Brücke“-Künstlern in der Rolle der wilden, ungestümen Kinder, die zwischen 1905 und 1911 in die Galerien stürmten.

Ein Saal voller „Badender“

Dass Munch und Matisse die Tür zum Expressionismus weit aufgestoßen haben, ist längst kein Geheimnis mehr, und die kunsthistorischen Feinheiten, denen diese Ausstellung nachspürt, sind ein Leckerbissen für Kenner. Alle anderen aber können sich getrost dem Fest der Farben hingeben, die eine oder andere Überraschung erleben (einen hell-lichten, in grünen und gelben Pastelltönen daherkommenden Franz Marc mit „Schilfhocken“ ohne Tiere etwa) und lustvoll den vergleichenden Blick schweifen lassen. Einen ganzen Saal voller „Badender“ haben Mario von Lüttichau und Sandra Gianfreda als Kuratoren dieser Ausstellung zusammengetragen, ebenso wie ein halbes Dutzend Variationen der „Frau mit Hut“. Oder auch jene Hafenmotive, die Maler immer wieder magisch angezogen haben. Und man sieht, wie die Baumstämme, die bei den Impressionisten noch aus Lichtreflexen bestanden, nun lila werden, orange oder gar blau wie bei Andre Derain.

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Entdecken lassen sich in Essen auch Werke, die den späteren Großmeistern der Abstraktion in jungen Jahren gelangen: Georges Braque etwa mit einem zauberzarten „Hafen von Antwerpen“ in reinster Impressionisten-Manier, oder die Bilder, die Wassily Kandinsky um 1908 in Murnau mit irrwitzigen Farbschraffuren malte, mit Gabriele Münter, Alexej von Jawlensky und anderen um die Wette.

Der heimliche Riese dieser Ausstellung aber ist – Edvard Munch. Sein „Sitzender Akt auf dem Bett“, eine junge, hocherotische Mädchenfrau, strahlt das Ungeheure nur unterschwellig aus – die Expressionisten aber tragen es dick auf, plakativ. Munch nimmt das Abgründige, Böse, das Schwarze stets mit in seine Farben auf. Und bringt so noch das schönste Idyll – die drei „Mädchen auf der Brücke“ etwa, die aus dem Moskauer Puschkin-Museum angereist sind – zum Vibrieren, ja zum Beben. Das ist wohl der stärkste Ausdruck, den Farben haben können: Rausch und Kater und Klarsicht in einem.