Köln. . Die Pop-Queen inszeniert für 15.000 Fans in der Kölner Arena Nähe und Ferne zugleich. Die „Born This Way Ball“-Tour mit ihrer „Electro-Metal-Pop-Opera“ ist eine knapp zweieinhalb Stunden lange Materialschlacht. Und man bekommt auch Überflüssiges zu sehen, das man schon zu oft gesehen hat.

Chiara aus Belgien hat einen guten Tag. Oder einen schlechten. Es kommt auf den Blickwinkel an. Von Belgien nach Deutschland ist es nicht weit. Es sei denn, man kommt aus Oostende und muss nach Köln mit dem Zug fahren. Und selbst das dauert, wenn man eine schnelle Verbindung erwischt, nur dreieinhalb Stunden. Fast genauso lange hat Chiara vor der Kölner Arena angestanden, um zu den „happy few“ zu gehören – jenen glücklichen 240 Fans, die ein Bändchen ergattert haben und beim Konzert von Lady Gaga im abgegrenzten Areal direkt vor der Bühne stehen dürfen.

Ein Wall bildet die Grenze zum hinteren Teil des Innenraums. Dieser Wall ist breit und stabil genug, damit sich Stefani Joanne Angelina Germanotta, ihre zwölf Tänzer und ein Pferd darauf bewegen können. Als Chiara aus dem inneren Kreis geborgen wird, wirkt sie hilflos. Als sie dann plötzlich neben Lady Gaga und ihrem Motorcycle-Piano steht, ungläubig und verwirrt. Chiara ist in dem Alter, in dem der Lippenstift zwingend blutrot sein muss, die Kleidung durchsichtig und die Liebe zu einem Idol unsterblich. Dass dieses Idol plötzlich zu Fleisch und Blut wird, zu jemandem, der einen Platz auf seiner Schulter offeriert, zärtliche Küsse und ein glitzerndes Prinzessinnen-Diadem verteilt, ist mehr, als so ein Mädchen mit Hippie-Kopftuch um die Stirn und Sehnsucht im Herzen verkraften kann. Das ist der schönste Moment in Chiaras Leben. Und der schlimmste. Weil er enden muss.

Spektakuläre Effekte und ausgefallene Kostüme

Nicht viel anders ergeht es Dienstagabend der Masse der 15.000 Fans in der Lanxess-Arena. Die „Born This Way Ball“-Tour von Lady Gaga offeriert eine exakt dosierte Mixtur aus Nähe und Ferne. Da gibt es das Kunstgeschöpf in Lack und Latex, das eng geschnürt, hoch geschlitzt und kurz geschürzt, maskiert, stilisiert und ikonisiert, auf stricknadeldünnen High Heels über die Bühne tanzt, von bösen Romanzen, bösen Küssen und bösen Fotografen singt und Geschichten von einem Alien erzählt, das seinen Häschern zwar entkommen ist, aber auf der Abschussliste steht („Kill the Bitch!“). Und die nette, süße Stefani, die immer noch ihrer Mum dankbar ist, weil die an sie und ihr Talent geglaubt hat, die ihre Fans liebt, ihnen Mut machen will und mit ihnen auf Kuschelkurs geht.

Ihre entzückten Ausrufe, frivolen Kommentare und putzigen Augenaufschläge angesichts der Präsente, die sie erhält, muten an wie ein Kindergeburtstag bei Alice im Wunderland für Erwachsene. Knapp zweieinhalb Stunden dauert die Show, die die platinblonde 26-Jährige aus New York eine „Electro-Metal-Pop-Opera“ nennt. Sie geizt weder mit spektakulären Effekten (als Kulisse dient eine mehrstöckige, dreh- und aufklappbare Burg mit Türmen, Treppen, Bögen, Balkonen, Zinnen und Säulen, die andernorts mit Bravour als Hightech-Verkleidung einer Geisterbahn durchgehen würde) noch mit ausgefallenen Kostümen (Tellerhüte in Schräglage, Schulterposter auf Kinnhöhe, Cocktailkleider wie aus Baiser geschnitzt) oder Elementen, auf die man gerne hätte verzichten können, weil man sie schon zu viel und zu oft gesehen hat (das militärische Gehabe, der provokante Griff in den Schritt, die vorgetäuschte Kopulation).

Fast wie bei Madonna.

Nur dass Lady Gaga besser singt.