Essen. . Gastspiel des Zürcher Theaters Hora auf Zollverein: Schauspieler mit geistiger Behinderung zeigen beeindruckende Tanzperformance

„Meine Arbeit ist, mich selber zu sein und nicht jemand anders“, sagt Miranda Hossle, Schauspielerin am Zürcher Theater Hora, 20 Jahre alt. Das Theater Hora, das bis heute Abend bei der Ruhrtriennale im Pact Zollverein gastiert, ist kein gewöhnliches Theater: Die Darsteller sind ausnahmslos Profi-Schauspieler mit geistigen Behinderungen. Handicaps, die sie nicht daran hindern, ihre Arbeit so gut zu machen, dass das Theater seit fast 20 Jahren mit großem Erfolg durch Europa tourt. Das neueste Stück, „Disabled Theater“, wurde bereits in Bern, Zürich, Avignon, Brüssel und Kassel gezeigt.

Ein Stück, für das der Pariser „Objekte-Choreograf“ Jérôme Bel gewonnen werden konnte, von dem kein Tanzstück in vertrauten Bahnen erwarten werden darf. Getanzt wird im „Disabled Theater“ zwar viel, aber ganz anders. Die elf Damen und Herren im Alter zwischen 20 und 55 Jahren sprechen „schwyzerdütsch“, das die Schweizer Schauspielerin Simone Truong mit stoischer Geduld ins Englische übersetzt. Gegliedert ist der etwa anderthalbstündige Abend in Sequenzen, die sich an klare, einfache Anweisungen des Choreografen orientieren. Zunächst stellt sich jeder Darsteller jeweils eine Minute schweigend vor das Publikum. Das hält nicht jeder so lange durch. Danach nennt jeder seinen Namen, Alter und Beruf, und zwar im vollen Bewusstsein, als professioneller Schauspieler aufzutreten. Anschließend gehen sie auf ihre Krankheit ein: Down-Syndrom, Lernschwäche, Mongolismus. Damit gehen sie unterschiedlich um. Manchem „macht’s weh“, der andere ist stolz darauf, ein Chromosom mehr zu besitzen.

Das Gefühl, „wie Tiere in einem Zirkus“ vorgeführt zu werden, wie es die Schwester eines Darstellers einmal betroffen unter Tränen formuliert hat, lassen sie nicht erkennen. Erst recht nicht, als danach jeder zu seiner Lieblingsmusik mit unterschiedlichem Temperament von der „Dancing Queen“ über „Du bist mein Stern“ bis hin zu Hip-Hop und Techno zu tanzen beginnt immer mehr aus sich herausgeht. Und zwar mit feinem rhythmischem Gefühl und einer teilweise beachtlichen Körperbeherrschung. Darbietungen, die nicht nur das Publikum beeindruckten, sondern die auch die auf schlichten schwarzen Stühlen zuschauenden Ensemblemitglieder elektrisierten. Die Stimmung stieg an, es wurde auch gelacht, aber nicht an den falschen Stellen.

Begeisterter Beifall am Ende. Und die Gewissheit, dass „Behinderte“ kein Mitleid brauchen, sondern Ansporn, ihre Fähigkeiten zu mobilisieren.