Bayreuth. . Das Publikum in Bayreuth ist nicht einfach. Regelmäßig reagiert es mit Buh-Rufen auf auf die Inszenierungen. „Die Rufe kommen von einer relativ kleinen Gruppe und gehören in Bayreuth für die Regie praktisch dazu. Das hat gar nichts zu bedeuten, was die Qualität der Produktion angeht“, erklärt der Hagener Bassbariton Rainer Zaun.

Der „Fliegende Holländer“ ist ein großer Erfolg, da ist sich die Mehrheit der Bayreuth-Besucher einig. Doch das Spektrum der Reaktionen auf die Inszenierung des jungen Hageners Jan-Philipp Gloger bewegt sich im Extrem zwischen allzu brav und Buh. Natürlich interessiert es auch die Kollegen und die Familie, wie der erste Künstler aus Südwestfalen ankommt, der in Bayreuth Regie führt. Wir haben uns umgehört.

„Die Buh-Rufe kommen von einer relativ kleinen Gruppe und gehören in Bayreuth für die Regie praktisch dazu. Das hat gar nichts zu bedeuten, was die Qualität der Produktion angeht“, konstatiert der Hagener Bassbariton Rainer Zaun. Zaun ist Solist am Theater Hagen und seit Jahren ebenfalls Solist bei den Festspielen in Bayreuth. In dieser Saison singt er den 3. Edlen im „Lohengrin“, wo er fröhlich kreativ nach Regieanweisung „rattig“ sein darf.

Ein gewisses Stammpublikum lehnt aus Prinzip jeden Regisseur lautstark ab

Der Sänger macht auf ein Dilemma aufmerksam, mit dem gerade Bayreuth-Regisseure lernen müssen, umzugehen. Viele Medien hoffen auf möglichst aufsehenerregende, skandalträchtige Interpretationen. Wird diese Erwartungshaltung nicht bedient, ist die Regie zu bieder. Dazu kommt ein gewisses Stammpublikum, das aus Prinzip jeden Regisseur lautstark ablehnt.

Zaun hat der „Holländer“ gut gefallen: „Es ist tatsächlich keine Neuinterpretation, sondern Gloger verlegt die Geschichte in die heutige Zeit. Das ist stimmig in sich, aber nicht gegen den Strich gebürstet. Mir hat besonders das Augenzwinkern gefallen, das in der Inszenierung steckt, gerade in der Spinnstube. Da drehen sich nicht mehr die Spinnräder, sondern Ventilatoren, diese Ironie ist schön.“

Ganz anders stellt sich die Situation natürlich für die Eltern dar. Gabriele Hömberg-Gloger und Hartmut Gloger hatten Karten für die Generalprobe und haben dann in Hagen am Radio gebannt die Premiere verfolgt. „Den Sängern wurde wahnsinnig applaudiert, dann kamen die Buhrufe für den Regisseur. Da habe ich gedacht, damit muss der Jan-Philipp auch leben“, schildert die Mutter ihre Reaktion. Aber der 30-Jährige habe in den vergangenen fünf Jahren seiner Berufslaufbahn so viele Erfahrungen gesammelt, „er kommt damit klar, wenn man etwas Negatives über ihn sagt.“

Gabriele Hömberg-Gloger war besonders gefesselt vom ersten Akt des „Fliegenden Holländers“. „Wenn diese rasenden Zahlen in der Installation auftauchen, wird der Sturm regelrecht visualisiert, der auf dem Meer tobt, und man sieht die Zeit, die abläuft und die Hektik der heutigen Zeit, das fand ich total beeindruckend.“ Das Bayreuther Festspielhaus ist ohnehin ein überwältigendes Erlebnis, umso mehr, wenn der eigene Sohn an diesem geschichtsträchtigen Ort auf dem Präsentierteller steht: „Man sitzt da und wei? nicht, was wird Jan-Philipp machen. Wenn man als Mutter dort sitzt, geht das alles wie im Flug vorbei, das ist schon spannend.“

Skandal um die NS-Tätowierungen des ursprünglich vorgesehenen Holländer-Sängers

Für Gloger selbst bedeutete die Premiere eine besondere Anspannung, da er wegen des Skandals um die NS-Tätowierungen des ursprünglich vorgesehenen Holländer-Sängers in wenigen Tagen einen Einspringer für die Hauptrolle einarbeiten musste – und weil diese Affäre zunächst mehr Raum in der Debatte einzunehmen drohte als seine Regie-Arbeit selbst. „In diese Inszenierung habe ich anderthalb Jahre meines Lebens investiert. Ich kann nur hoffen, dass das Thema nicht weiter meine Inszenierung überschattet“, sagte er vor der Premiere. Die Aufführung hat sich Gloger dann mitten im Publikum angesehen, in Reihe 19, etwas, wozu nur wenige Regisseure die Nerven haben.

Andreas Sichler kennt den „Fliegenden Holländer“ nur vom Hören. Der Solotrompeter der Hagener Philharmoniker spielt seit 24 Jahren im Bayreuther Festspielorchester – auch beim „Holländer“. „Wir kriegen im Orchestergraben gar nichts von der Bühne mit“, schildert Sichler. „Aber ich habe mich mehrfach mit Herrn Gloger unterhalten, wir haben auch über die Hagener Philharmoniker gesprochen, das ist ein unglaublich netter, höflicher und gebildeter Mensch.“ Zumal den Regisseur und den Trompeter die Liebe zur Musik verbindet. „Gloger geht immer an unserem Stimmzimmer vorbei, und ich sitze da am Fenster an der Trompete und übe“, erzählt Sichler. „Wenn ich das Holländer-Motiv geübt habe, hat er angeklopft und gefragt, was denn gerade passiert in der Musik und zu mir gesagt: ,Das finde ich immer spannend, wenn Sie üben. Darf ich ein Foto von Ihnen machen?'“.