Essen. . Mit „Woody Allen: A Documentary“ kommt in dieser Woche ein zweistündiger Dokumentarfilm ins Kino, der ganz dem Mann mit der wuchtigen Brille gewidmet ist. Zeit für ein paar Fragen an den großen alten Mann der Filmkomödie. Nicht nur aus diesem Anlass.

Zum ersten Mal kommt in dieser Woche mit „Woody Allen: A Documentary“ ein abendfüllender Film in die Kinos, der Leben und Werk von Woody Allen beleuchtet. Der Filmemacher habe sich zunächst geziert, erzählt Regisseur Robert B. Weide. Allen habe nicht geglaubt, dass sich jemand tatsächlich für ihn und sein umfangreiches Werk interessieren könnte.

In dem neuen Dokumentarfilm über Sie sagen Sie einmal, dass Sie es hassen, für Filme Werbung machen zu müssen. Ist dieses Gespräch jetzt eine Tortur für Sie?

Woody Allen: Ja. Und ich sage Ihnen auch weshalb. Niemand will im Grunde da rausgehen und erzählen, wie toll und faszinierend ein Film ist, den man gerade abgeschlossen hat. Dass man eine wunderbare Zeit beim Drehen verbracht hat. Und wie froh man darüber ist, dass dieser oder jener Schauspieler dabei war. Und die erzählen, wie wahnsinnig sie die Arbeit mit Woody Allen gefunden haben. Man kommt sich wie ein Dummkopf vor, wenn man Menschen von der Bedeutung des eigenen Films überzeugen will. Denn das Publikum ist nicht dumm. Es wird mir nicht glauben.

Sie sind seit sechs Jahren nicht mehr aufgetreten in Ihren Filmen. Man dachte, Sie hätten sich auf die Regie zurückgezogen. Nun wird man sie bald in Ihrem Film „To Rome With Love“ wieder auf der Leinwand sehen. War das geplant?

Allen: Immer wenn ich ein Drehbuch beende, überlege ich, ob es da eine Rolle gibt, die ich spielen könnte. Sehen Sie, ich war es in jüngeren Jahren gewohnt, ständig die Hauptrolle zu übernehmen. Aber jetzt bin ich 76 und muss mit der Vaterrolle zufrieden sein oder mit irgendeinem anderen Alten. Hier ergab es sich, dass tatsächlich ein guter Part für mich dabei war. Es wäre schön, wenn das auch bei meinem nächsten Film klappen würde, aber das ist nicht der Fall. Das Spielen macht mir immer noch Spaß, und es erleichtert die Arbeit, wenn ich selbst vor der Kamera stehe.

Ihr letzter Film, „Midnight in Paris“, war Ihr größter Erfolg in den USA. Können Sie sich erklären, warum? Ahnen Sie, wann es „Klick“ macht beim Publikum?

Allen: Dieser Erfolg ist mir bis heute völlig unerklärlich. Sie wissen, ich habe eine Menge Filme gemacht. Ich drehe sie alle nach dem gleichen Prinzip und glaube jedes Mal, dass ich einen guten Film abgeliefert habe. Trotzdem gibt es diese unterschiedlichen Reaktionen beim Publikum. „Midnight“ war ein Erfolg in Schweden ebenso wie in Japan. Es muss da tatsächlich etwas in der Story sein, worauf die Leute abfahren. Beim Drehen glaubten mein Produzent und ich, dass dieser Film nur ein kleines Publikum ansprechen würde. Welcher junge Mensch in den Staaten hat schon je von Gertrude Stein, Man Ray oder Zelda Fitzgerald gehört? Trotzdem kamen sie in Scharen. Mein Leben hat das nicht verändert. Nicht ein einziges Studio in den USA ist seitdem an mich herangetreten und hat mir angeboten, meinen nächsten Film zu finanzieren.

Glauben Sie an die Faszination von Städten, wenn in New York, London oder Barcelona drehen?

Allen: Ich bin ein Stadtmensch. Ich bin keiner, der das Land liebt. Auf dem Land spazieren zu gehen, verliert für mich nach höchstens einer Stunde jede Faszination. Ich schaue auf die Bäume, die Bienen und die Insekten, aber das reicht. Ich brauche Straßen, Menschen, Geschäfte, Restaurants. Ich würde nie einen Film im Sudan drehen wollen. Aber einen Sommer in einer Großstadt zu verbringen und dort nebenbei einen Film zu drehen, das ist äußerst angenehm.

Haben Sie schon mal daran gedacht, dass Ihr Werk getan ist? Oder werden Sie weiter einen Film nach dem anderen drehen?

Allen: Ich habe noch viele Ideen und ich wünschte, dass ich sie noch alle realisieren könnte. Aber man weiß nie, ob man gesund bleibt. Ich hatte noch nie einen Mangel an Ideen, mit denen bin ich mir immer weit voraus, die kann ich nie einholen.

Fühlen Sie sich zu alt dafür, noch das eine große Meisterstück zu realisieren, von dem Sie mal geträumt haben? Eines, wie ein Ingmar Bergman oder ein Akira Kurosawa es uns hinterlassen haben?

Allen: In der Tat. Immerhin bin ich jetzt 76 und habe etwa 44 Filme gedreht. Da hast du mittlerweile die Botschaft verstanden, dass es vielleicht nicht in dir steckt. Du hast eigentlich genug Möglichkeiten gehabt und auch genug künstlerische Freiheit. Ich bin zufrieden damit, ein Niveau erreicht zu haben, auf dem ich mich wacker schlagen kann.

In dem Dokumentarfilm sieht man Berge von vollgeschriebenem Papier. Vielleicht ist Ihr „Masterpiece“ ja darin noch verborgen?

Allen: Vielleicht. Aber dann sollte man die Regie besser jemandem vom Range eines Fellini anbieten. Wenn ich es übernehme, wird es vielleicht doch nicht ganz reichen. Ich habe da keine Illusionen.