Duisburg. Beim Klavierfestival Ruhr präsentierte die französische Pianistin Hélène Grimaud einen emotionalen Parforcetritt durch die Klavierliteratur: Mal mit großem Ton, mal ein wenig kitschig.

Hélène Grimaud hatte sich ein wenig rar gemacht in letzter Zeit, sagte manches Konzert wegen gesundheitlicher Probleme ab. Nun aber scheint ihr ungestümer Elan, ihre tiefe pianistische Leidenschaft ohrenfälliger denn je.

Der Auftritt der Französin beim Klavier-Festival Ruhr in der Duisburger Mercatorhalle zielt auf den großen emotionalen Höhenflug, auf das kompromisslose Sich-hinein-stürzen in die Notenmaterie, seien die Werke auch noch so komplex. Sie beginnt mit Mozarts ernster, teils schwermütiger, teils bedrohlich grollender 8. Sonate, entfaltet ein furioses Feuerwerk ohne Rücksicht auf Konturen, taucht alles in fiebrige Glut. Wirkt diese hastige Leidenschaftlichkeit hier nahezu exzentrisch, gewinnt das Ausdrucksspektakel in Alban Bergs Sonate allerdings an sinnfälliger Souveränität.

Grimaud wird zur Herrin der freien Form, ohne sich ins Analytische zu verbeißen. Sie lässt sich mitreißen von der Kraft der Musik, liefert Erregungszustände, die zwischen Überschwang und unterschwelliger Spannung pendeln. Bergs einsätziges Werk findet so seinen Platz zwischen der traurigen Verlorenheit Gustav Mahlers und einem schaurigen Blick in des Menschen abgründige Seele.

So sehr Hélène Grimaud die Emotionalität hier organisch aus den Fingern fließt, so widrig gibt sich Liszts h-moll-Sonate. Die Pianistin hebt zaudernd Konturen hervor, überhäuft uns andererseits mit virtuosem Tand in so wilder Manier, dass sie bisweilen strauchelt. Die Musik dampft und schwitzt, mitunter von hellem, doch sehr kühlem Glitzern durchbrochen. Sie wirkt so zukunftsträchtig wie leider auch banal, ja verkitscht.

Donnernde Motorik

Auffällig aber Grimauds Faible für (donnernde) Motorik, die in Mozarts Sonate schon zu erahnen ist, die sich bei Liszt frei entfaltet. Ihr rhythmisches Gespür spielt die Pianistin schließlich souverän in den sechs rumänischen Volkstänzen Béla Bartóks aus. Sie wirken nach dem schwer verdaulichen Liszt-Brocken wie eine urtümlich-heitere Erlösung. Grimaud formt formidable Charakterstücke, geht nur im Schnelltanz etwas fahrlässig mit der Melodik um. Das kann die Begeisterung über die wie entfesselt auftretende Künstlerin indes nicht schmälern.