Oberhausen. . Im März 2013 packt Verhüllungs-Weltmeister Christo im Gasometer aus. Mit 20 000 Quadratmetern Stoff soll das größte temporäre Kunstwerk der Welt entstehen
Im Werk von Christo ist immer noch viel Luft nach oben. Schon „The Wall“, diese 26 Meter hohe, atemberaubende Tonnenwand aus 13 000 smartiesbunten Ölfässern, war 1999 ein gewaltiges Erlebnis im Riesenbauch des Oberhausener Gasometers. Doch diesmal will der amerikanische Reisfeld-Beschirmer und Reichstagsverhüller noch höher hinaus. Auf 90 Meter möchte er seine Skulptur aufblasen, die ab März 2013 Weltkunst und Spektakel in Europas höchster Ausstellungshalle vereinen will. Gestern ließ sich der Künstler via Videoübertragung aus New York mit ersten Details seines wie immer spektakulären Projekts vernehmen. Dabei zerstreute er auch Befürchtungen, „Big Air Package“ könnte ein Abschiedsgeschenk an Deutschland sein. „Ich bin erst 77 und noch gut in Schuss. Warum sollte das meine letzte Arbeit sein?“, scherzte ein gut aufgelegter Christo.
Nach dem Tod seiner Frau Jeanne-Claude war es zuletzt ein wenig still um den bulgarischen Fabrikantensohn mit der Woody-Allen-Brille geworden. Doch für Oberhausen hat der 77-Jährige seinen Enthusiasmus aktiviert. Das „Big Air Package – Projekt für Gasometer Oberhausen“ gleicht dabei – wie alle seine Groß-Projekte -- einer Mischung aus technischer Tüftelei und unerschütterlicher Traumspielerei, aus künstlerischer Gigantomanie und organisatorischem Geduldsspiel. Denn entstehen soll in der Tonne die größte jemals geschaffene aufblasbare Hülle, die ohne Skelett auskommt. Ein Riesenluftpilz, der auch von innen begangen werden kann.
20 000 Quadratmeter lichtdurchlässiges Gewebe
Zwischen 200 und 300 Besucher sollen gleichzeitig im Innenraum Platz finden, Luftschleusen ermöglichen den Zugang. Zwei Gebläse sorgen dafür, dass es in dieser selbsttragenden „Kathedrale der Luft“ nicht einfach „pfffft“ macht. Zudem sei die ganze Konstruktion noch an der Gasometerdecke befestigt, versichert Fotograf und Kurator Wolfgang Volz, seit über 40 Jahren „Mädchen für alles“ bei den Christos, wie er selber sagt.
Volz kennt alle Zahlen, Daten, Fakten dieser imposanten Arbeit. Weiß, dass 20 000 Quadratmeter lichtdurchlässiges Gewebe benötigt werden und 4500 Meter Seile, die aus dem Riesenluftballon ein Paket schnüren. Mit einem Durchmesser von 50 Metern und einem Volumen von 177 000 Kubikmetern wird das dicke Ding 5,3 Tonnen auf die Waage bringen. In seinem Bauch fänden 400 Einfamilienhäuser Platz.
Tonnenschwere Luftnummer
Auch die Kosten sind immens. 1,4 Millionen Euro lässt sich die Gasometer GmbH mit Unterstützung von Sponsoren diese museale Luftnummer kosten, die wieder Hunderttausende ins mächtige Tonnenrund locken soll. Bei 300 000 Besuchern rechne sich das Projekt, sagt Geschäftsführerin Jeanette Schmitz. 1999 sahen 390 000 Kunstfreunde Christos Tonnenwand. Das Luftpaket bietet den Besuchern neben dem Davorstehen und Staunen diesmal noch das Erlebnis des Mittendrinseins.
Glückwunsch, Christo!
„Big Air Package“ wirkt dabei ein wenig wie der große Bruder jener „Wurst“, mit der das Paar schon 1968 auf der documenta 4 für allerlei Luft-Wirbel gesorgt hat. Vier Anläufe hat es damals gebraucht, bis die 85 Meter große Skulptur stand. Ein nervöser Kasseler Bürgermeister, erinnert sich Volz, soll den Christos schon mit Abbruch gedroht haben. Diesmal wird auf den Erfahrungen aufgebaut. So wird nicht die komplette Luftskulptur im Gasometer aufgerichtet, sondern Stück für Stück aufgebaut.
Ergänzt wird die Arbeit von Fotografien, Filmen und Entwürfen, die die vielen Kunstgroßtaten von Christo und Jeanne-Claude dokumentieren. Es sind die einzigen bleibenden Zeugnisse einer vergänglichen Kunst, die nicht gehandelt, gesammelt und gekauft werden kann, sondern die man entweder erlebt – oder verpasst. Bis zum 30. Dezember 2013 ist dazu in Oberhausen Gelegenheit.