Hamburg. Der DFB hat dem Jazzer mit Hut den Zuschlag erteilt. Roger Cicero singt den Titel, der die deutsche Elf bei der Europameisterschaft begleitet: „Für nichts auf dieser Welt“. Ein Interview

Diesmal spielt Roger Cicero in der Liga zwischen Schlager und Chanson. Denn mal sang Peter Alexander die Nationalelf nach Mexiko, mal flankierten Michael Schanze und Udo Jürgens die Flanken mit Musik. Für die EM 2012 hat der DFB Cicero ausgewählt. Lars von der Gönna traf ihn im Winterhuder Cafe „Elbgold“ zum Gespräch über zu große Trikots, den Glauben an sich selbst und Druck auf den Schultern der Stars.

Sie sind der akustische EM-Botschafter der Deutschen. Sehen Sie unsere Mannschaft neuerdings anders?

Roger Cicero: Man fühlt sich auf eine kuriose Weise zugehörig. Ich habe sogar ein Trikot überreicht bekommen!

Ihre Rückennummer?

Cicero: Keine Ahnung. Das Trikot war ungefähr 15 Nummern zu groß. Ich hab’ ein neues in meiner Größe angefordert. Ist aber noch nicht angekommen. Deswegen habe ich mir die Nummer nicht gemerkt.

„Der DFB hat gefühlte drei Jahre gebraucht...“

Erklären Sie doch mal, wie man zum Barden des Balls wird. Es gibt einen richtigen Wettbewerb...?!

Cicero: Ja, eine Art Wettbewerb. Mein Song wurde offiziell eingereicht – und dann hat der DFB gefühlte drei Jahre gebraucht (lacht), um sich zu entscheiden.

Gut für Sie...

Cicero: Das war auch meine erste Reaktion: „Richtige Entscheidung!“ Ach, Quatsch, ich hab mich einfach irre gefreut. Ehrlich gesagt, hatte ich schon nicht mehr dran geglaubt, als die Zusage kam.

„Man muss aus der Not eine Tugend machen.“

Das ist ja eine Parallele zu Ihrem Lied. „Für nichts auf dieser Welt“ entstand ganz ohne Fußball-Gedanken, aber es erzählt davon, dass einem nichts geschenkt wird...

Cicero: Genau so: eine Situation, in der man – egal wie viel Gegenwind man gerade bekommt – das einzige tut, was jetzt noch geht. Selbst wenn man nicht 100 Prozent davon überzeugt ist, dass es das absolut richtige ist. Das heißt: Aus der Not eine Tugend machen, mit voller Kraft voraus.

Oliver Bierhoff war ganz aus dem Häuschen über die Zeilen in dem Song. Er liest sie als Mannschafts-Gleichnis.

Cicero: Der Song-Text spiegelt ein Lebensmotto von mir, das mich schon viele Jahre begleitet. Ich war in meiner Karriere längst nicht immer überzeugt davon, dass alles rosig enden wird. Trotzdem habe ich immer weitergemacht.

„An eine große Karriere habe ich schon nicht mehr geglaubt.“

Die meisten kennen Sie nur als äußerst erfolgreichen Sänger.

Cicero: Das ist vielleicht vielen nicht klar: Nach dem Studium bin ich jahrelang getingelt. Ich hab’ auf Hochzeiten gesungen, bin in Nachtclubs aufgetreten. Manchmal vor ‘ner Handvoll Leuten... Aber ich hab das gemacht, was ich am liebsten tue: vor Leuten musizieren. Ehrlich gesagt, an eine große Karriere habe ich da schon nicht mehr geglaubt. Es ging mir ums Tun, ums einfach „Geradeausgehen“, egal, was andere sagen. So ein Gefühl beschreibt der Song.

Ihre Texte entstehen im Team...

Cicero: Ja, das darf man sich als Brainstorming vorstellen. Ich habe eine Situation vor Augen und ich weiß, wie die enden soll. Es gibt viele gute Partner beim Texten, die Endabnahme liegt aber bei mir. Ich kann da sehr wählerisch sein, fast zickig, wenn es um Sprache geht. Es muss das sein, worin ich mich wohlfühle, wenn ich es ausspreche.

Sie haben das letzte Spiel vor der EM begleitet, Spieler getroffen. Sehen Sie die Jungs anders als bisher?

Cicero: Als Zuschauer aus der Distanz, waren das für mich einfach Profifußballer, die ihrem Beruf nachgegangen sind. Aber als ich die Jungs so aus der Nähe erlebt habe, da habe ich gedacht: Das sind wirklich sehr, sehr junge Kerle. Gerade das hat mich beeindruckt. Wenn ich denke, wie ich mit 19, 20 drauf war – ich hätte nie ein so diszipliniertes Leben führen können. Das zeichnet jeden einzelnen aus, der so weit gekommen ist. Klar, sie verdienen gut, aber sie leisten auch Übermenschliches. Ich weiß einiges von Druck in meinem Beruf, aber was die da an Druck auf ihren Schultern tragen, das kann sich keiner von uns vorstellen.

„Wenn ein starker Ball auf mich zukam, bin ich in Deckung gegangen.“

Wie war Ihre Fußball-Biografie als Junge in Berlin?

Cicero: Die war ein bisschen desaströs. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich kein großes Talent dafür habe. Dann ereilte mich dasselbe Schicksal wie die meisten, denen es so geht: Ich wurde ins Tor gestellt. Das hat aber auch nicht lang gedauert. Immer wenn ein sehr stark geschossener Ball auf mich zukam, bin ich eher in Deckung gegangen als mich dazwischenzuschmeißen. Mir schien das die schlauere Entscheidung. So war meine Torwart-Karriere sehr schnell beendet und ich habe mich wieder der Gitarre zugewandt.

Und eben ist der gescheiterte Torwart einem der besten begegnet?!

Cicero: Manuel Neuer ist wirklich ein sehr beeindruckender junger Mann. Er hat eine tolle, sehr einnehmende Aura um sich. In der Form ist mir das nur bei einem Sportler so aufgefallen, das war Roger Federer. Extrem ruhig, extrem fokussiert, aber er hat auch diese Demut. Stark!

„Xavier Naidoos Fußballsong ist mir sehr im Ohr“

Was ist ein Song, an den Sie bei Fußball unbedingt denken?

Cicero: „Dieser Weg wir kein leichter sein.“ Da ist mit der Kollege Xavier Naidoo einfach von 2006 noch sehr im Ohr.

Wenn Löws Elf Meister wird, kriegt sie eine Extra-Zeile im Song?

Cicero: Das würde auf jeden Fall anstehen. Ja!