Essen. . Nach dem Überraschungs-Hit im Kino mit acht Millionen Zuschauern verkauft sich die Geschichte von Phillipe Pozzo di Borgo und Abdel Sallou auch auf dem Buchmarkt blendend. Die Bücher zeigen, dass die Wirklichkeit oft noch überraschender, noch melodramatischer daherkommt als das Kino.

Wer weiß, ob „Ziemlich beste Freunde“, der Kino-Hit des Jahres, bei uns acht Millionen Zuschauer gehabt hätte, wenn diese Behinderten-Komödie nicht auf einem wirklichen Fall beruhen würde, echten Menschen, echten Schicksalen. Kein Drehbuchschreiber würde wagen, sich das auszudenken, so unwahrscheinlich klingt das: Der gelähmte, adelige Superreiche aus der High Society von Paris und der bärenstarke kleinkriminelle Araber aus der Vorstadt finden zueinander. Jeder hat das, was dem anderen fehlt. Der Tellerwäscher muss gar nicht mehr zum Millionär werden, es reicht, wenn sich beide über alle gesellschaftlichen Schranken hinweg befreunden, schon kann man im Maserati durch die Nacht fliegen und die Polizei foppen.

Wie Dornröschen und der Prinz

Ein Paar wie Dornröschen und der Prinz, nur dass beide Prinz und Dornröschen zugleich sind. Ausgerechnet ihre Defizite machen sie zugänglich für ein­ander, es ist wie ein Stück richtiges Leben mitten im falschen. Und so verkauft sich seit Wochen das wirkliche Leben so gut wie der Kinostoff „Ziemlich beste Freunde“. Bevor der neue Sarrazin in die Läden kam, führte die Autobiografie des Aristokraten Philippe Pozzo di Borgo die Sachbuch-Bestsellerlisten an, genau wie die Erinnerungen seines Pflegers Abdel Sellou. Der eine bei den gebundenen, der andere bei den Taschenbüchern, wie ein letztes Reservat des Klassenunterschieds.

Man lernt aus den Büchern, dass das herzzerreißende Drama um Pozzo di Borgos innig geliebte Ehefrau Béatrice und ihren Krebstod im Kino draußen bleiben musste – der Graf widmet ihr lange lyrische Passagen. Man lernt bei beiden, dass der frühere Chef der Champagner-Firma Pommery heute kapitalismuskritische Vorträge hält. Und bei seinem Pfleger Abdel, dass manche Kinder froh sind, wenn ihre Eltern sie fortgeben zu Verwandten in der Fremde. Abdel landete in Paris, das sei das Glück seines Lebens gewesen, sagt er. Die Wirklichkeit ist nämlich in Wirklichkeit oft überraschend.