Essen. . Ob die Kultur nach der NRW-Landtagswahl ein eigenes Ministerium bekommen wird? Ist gar nicht so wichtig. Ein „Gemischtwarenladen“ tut’s auch. Sie braucht aber vor allem einen gesetzlichen Schutz, um die Sparrunden zu überstehen, die in den nächsten Jahren unweigerlich bevorstehen.

Ob bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf diesmal ein eigenes Kulturministerium herauskommen wird? Dass die Kultur zuletzt zusammen mit Familie, Kindern, Jugend und Sport im Haus von Ute Schäfer (SPD) untergebracht war, hat Spötter von einem „Gemischtwarenladen“ sprechen lassen. Immerhin ist es dem Laden gelungen, die drohende Schließung von Theatern währen der zweieinhalbjährigen Amtszeit zu verhindern – und die Rettung des hochgelobten, aber unterfinanzierten Projekts „Jedem Kind ein Instrument“ auch.

Doch der angebliche „Kulturinfarkt“, den ausgerechnet vier beamtete und hochbezahlte Kulturmanager diagnostiziert haben, droht in Nordrhein-Westfalen noch weniger als anderswo. Hier wirkt diese Kampfschrift wie eine ideologische Rechtfertigung für das, was längst im Gange ist. Denn hier sind schon die nächsten Amputationen ins Auge gefasst, siehe Rheinoper (auch die Bonner Oper war ja schon auf der Kippe). Und mit den kommunalen Nothaushalten stirbt derzeit ohnehin schon eine Stadtteilbücherei nach der anderen, Bücherbusse bleiben in der Garage – Stadt für Stadt, in aller Stille, Leser neigen ja nicht so zum Randalieren. Und haben in betuchten Kreisen nicht ganz so viele Freunde wie die Oper. Wobei zu den verheerendsten Entwicklungen der Kulturszene in den letzten Jahren eine schleichende Entsolididarisierung gehört. Ganz gleich ob Theater, Kunst, Literatur oder Musik: Jeder hält zuächst die Füße still und engagiert sich erst, wenn die eigene Sparte betroffen ist.

In den nächsten Jahren wird jedoch das unausweichlichen Anziehen der Schuldenbremse für immer neue finanzielle Engpässe sorgen. Die Kulturszene wird darauf, wie gehabt, mit immer neuen Optimierungsanstrengungen reagieren, wird noch mehr Sponsoren suchen und neue Schmerzgrenzen der Selbstausbeutung. Und droht ihr weiter eine Sparrunde nach der anderen – solange sie zu den „freiwilligen Leistungen“ zählt.

Was erhoffen wir von Kultur? Was ist sie uns wert?

Kultur als Pflichtaufgabe: Das könnte ein Gesetz festlegen und den Gemeinden freistellen, einen gewissen Betrag pro Einwohner im Stadthaushalt für die Kultur zu reservieren – ohne dass ihnen die Sparkommissare der Bezirksregierungen das verbieten müssten, wie das bisher der Fall ist. Zu einem solchen „Kulturfördergesetz“ gab es bei Rot-Grün bereits erste Überlegungen. Die kulturelle Bildung in Zeiten des lebenslangen Lernens sollte besonders wichtig sein. Seit der Auflösung des Landtags aber sind die Beratungen unterbrochen.

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Dabei tut solch ein Kulturfördergesetz nicht nur dringend Not, es müsste auch da eingreifen, wo Kommunen an ihre Grenzen kommen. Es müsste neue Produktionsformen für Oper, Tanz und Theater fördern, die einen Ausweg aus dem oft beklagten starren System des Stadttheaters weisen könnten. Es müsste auch die Vernetzung der Bibliotheken gerade bei den digitalen Medien vorantreiben.

Noch wichtiger aber wäre, jenseits aller Sparzwänge, eine gesellschaftliche Diskussion darüber, was wir von der Kultur erhoffen. Was sie uns wert ist, wert sein sollte. Am allerwichtigsten wäre, dass sich nicht nur Kulturpolitiker an einer solchen Debatte beteiligen. Sondern auch Künstler und auch möglichst viele jener Steuerzahler, die unsere Kultur finanzieren. Spitzenpolitiker inklusive. Selbst wenn dazu ein Kraftakt nötig sein sollte. Es muss ja nicht gleich ein eigenes Kulturministerium sein.