Moers. . Von wegen abgenudelt. Edward Albees Paar-Zerrüttung hat ihre Magie fürs Theater auch nach einem halben Jahrhundert kaum eingebüßt. Die Neu-Inszenierung am Moerser Schlosstheater belegt das kraftvoll.

Ängstlich war nur das Pulitzer-Preiskomitee von 1962, ihm war Edward Albees Meisterstück zu „schmutzig“. Seither geraten die Spielplanschmiede auch an deutschen Bühnen höchstens noch in Sorge, dass man die Frage „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ schon zu oft gehört haben könnte.

Auch das Moerser Schlosstheater zerstreut einmal mehr solche Bedenken. Mit Albee hat man alles, wonach sich das vom „postdramatischen Theater“ ermattete Publikum sehnt: Psychologie! Charaktere! Beziehungsterroristen! Menschen aus Hass und Blut. Ein Streitlustspiel! Vier Unterhosenbomber beim Neurosenkrieg im trauten Heim.

Aber parfümieren sie sich bloß mit dem, was aus der Achsel des Bösen tropft - oder zerfleischen sich da doch die Wölfe im Menschenpelz? Auf dieser Frage balanciert das Stück nun auch in der winzigen Moerser Kapelle, die weit weniger Zuschauer fasst als die Inszenierung verdient hätte.

Frank Wickermanns George ist ein müde gewordenes, zähnefletschendes Aufbäumen, Marieke Kregel legt die Rachefrust-Göttin Martha als Befriedigungsmangel auf zwei Beinen an, der sich in Niedertracht hüllt. Aber wichtiger noch ist das Timing, mit dem beide die blitzgescheiten, wie Seelenmesser durch die Luft wirbelnden Dialoge Albees zum Funkeln bringen. Der blasse Karrierist Nick (Patrick Dollas) und seine übertickerte Putzi (Katja Stockhausen) werden zu Waffen im Stellungskrieg, ihre Verkleidungen als Gorilla und Nonne (Kostüme: Marijke Volkmann/Patricia Kollender) sind böse Kommentare zum Trümmerhaufen ihrer Charaktere.

Beziehungsschlachtfeld am Tisch

Regisseur Philip Preuss, dessen Moerser Moliere („Der Geizige“) gerade zum NRW-Theatertreffen eingeladen wurde, macht die ehemalige Friedhofskapelle zum fünften Akteur des Stücks. Der Tisch mittendrin mutiert zum Beziehungsschlachtfeld, und was da fortwährend spritzt und tropft und plätschert, ist ja nur Wasser - vielleicht wollen sie ja doch alle nur spielen; da fügt es sich denn auch, wenn Außenaufnahmen per Videokamera auf den Tisch des Hauses projiziert werden oder George den Text des Stücks im Buch nachliest. Langer, begeisterter Premierenbeifall nach äußerst kurzen zweieinviertel Stunden.