Dortmund. . Xin Peng Wangs „Schwanensee“ begeistert mit klassischer Schönheit. 30 Tänzerinnen aus ganz Europa unterstützen die Dortmunder Compagnie.

Ballettfans in NRW müssen reisen, wenn sie einen „Schwanensee“ als modernen Traum mit auf Spitzenschuhen mit einer Schar von trippelnden Schwänen erleben wollen. Denn träumen und sich von der Magie der weißen mythologisch aufgeladenen Federtiere mitreißen lassen – das wollen doch fast alle. Selbst wenn sie sonst athletische, moderne Tanzkunst schätzen. So traf sich bei der Premiere von Xin Peng Wangs Neufassung des Repertoire-Klassikers im ausverkauften Dortmunder Opernhaus die Tanzgemeinde aus Bonn, Köln, Münster, Düsseldorf oder Berlin. Norbert Lammert inklusive; denn auch der Bundestagspräsident liebt, so scheint’s, den berühmten „Traum in Weiß“.

Zehn Minuten stehende Ovationen genossen die exzellent trainierten Tänzer und Wangs Team nach zweieinhalb Stunden hoher Danse d’Ecole. Das ist alles andere als ein bemühter Schwanensee aus der Provinz. Da Herr Wang aber über eine Kompanie von gerade mal 20 Tänzern verfügt, mussten Dortmunds Ballettfreunde den Traum wahrmachen, durch eine Finanzspritze von 65 000 Euro. 30 Tänzerinnen aus der ganzen Welt wurden gecastet, damit in dem weißen zweiten Akt und im Finale tatsächlich 24 Schwäne den Prinzen Siegfried benebeln können. Sie kommen bis zum Sommer in 12 Vorstellungen zum Einsatz, ebenso in der kommenden Spielzeit. Sicher ist: Volle Kassen wird Tschaikowskis Dauerbrenner der beachtlich tanzenden Truppe auch 135 Jahre nach seiner Uraufführung im Moskauer Bolshoi-Theater noch bescheren. Denn weder Staub noch ranzigen Psychoplunder muten Choreograph und Solisten dem Publikum zu.

Wenn Schwanensee, dann richtig! Das meint Xin Peng Wang. Seine Sache sind weder zerrupfte Schwäne noch verdrehte Aktualisierungen. Seine Choreographie bietet Grand Ballet, schwerelose Pas-de-deux, virtuose Folklore-Soli und Schauerromantik. Der zweite und vierte Akt lehnen sich gar an die legendäre Choreographie von Marius Petipa und Lew Iwanow an. Nur leicht verändert ist die unglückliche Lovestory zwischen Prinz Siegfried und Schwanenprinzessin Odette/Odile, verzichtet auf Bösewicht Rotbart und andere Randfiguren, die keiner vermisst. Erster Treffpunkt der beiden: Eine Fete im Eispalast. Siegfried ist hier ein junger Mann aus gutem Haus: Sein Vater will ihn mit Dekadenz und Reichtum ködern, damit Siegfried eines Tages sein Imperium übernimmt. Doch er verschwört sich dem Reiz des weißen Schwans, ist angeturnt von seinem keuschen Zauber.

Ätherischer Sound

Selbst die Party im dritten Akt, die der Vater in einem Luxus-Hotel unter Wasser (vermutlich in Dubai) für seinen Spross organisiert, verwirrt ihn nur kurz. Er lässt sich blenden von der Schönheit des schwarzen Schwans, der sich aber als Trugbild erweist.

Die Verve und der ätherische Sound der Dortmunder Philharmoniker unter Jac van Steen überzeugen ebenso wie die vielseitigen Tänzer, die auf Spitze mehr als nur gute Figur machen. Überraschend gut in Form ist Monica Uta-Foetscu. Die Primaballerina, die nach der Geburt einer Tochter erst seit fünf Monaten wieder tanzt, brilliert besonders als weißer Schwan. Mädchenhafte Keuschheit, Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit – all das wirkt stilecht, genauso wie ihre geschmeidig fließenden Schwanenbewegungen, Balancen, Pirouetten und klassischen Hebefiguren. Als schwarzer Schwan jedoch mutiert sie nicht zu einem sexuell flackernden Dämon, sondern eher zu einer schmeichelnden koketten Spielerin.

Klassisch solide und zuverlässig in Sprüngen, Dreh- und Hebe-Technik mimt Mark Radjapov den Siegfried. Ein facettenreicher Ausnahmetänzer, der als Danseur Noble immer noch in das Tableau passt. In den Nebenrollen (alle exzellent besetzt) fiel ein Talent auf: Eugeniu Cileno – ein filigraner Athlet aus Rumänien, dessen federleichte Sprünge, blitzartige Drehungen und kerzengerade Posen sich wunderbar in den romantischen Schwanentraum einfügen.