Dortmund. . Die Kinobranche rüstet auf digitale Technik um. Mit dem Aus der 35mm-Kopien – so die Befürchtung – werden sich weitere Lichtspielhäuser von der Traumfabrik verabschieden.

Als Regie-Altmeister Fritz Lang seine berühmten „Spione“ losschickte und die Spannung kaum auszuhalten war, steckte sich der Filmvorführer in seinem kleinen Kabuff eine Chesterfield an. Plötzlich fing das Zelluloid Feuer. Am Ende fackelte das ganze Filmtheater, der Fluchtweg war versperrt, und die Leute sprangen aus dem Fenster. Das war 1922. Geschichte.

Im Filmcenter Unna sitzt der Filmvorführer heute immer öfter am Computer, denn die Hälfte der sechs Leinwände werden digital bedient. Die anderen stehen auf der Investitionsliste.

Der 100-jährige Familienbetrieb in einer Mittelstadt bildet exakt die aktuelle Situation in der Kinobranche ab.

50 Prozent der 4650 deutschen Leinwände sind bereits digitalisiert, weiß Dr. Andreas Kramer, stellvertretender Vorsitzender der HDF Kino, dem Hauptverband der Kinobetreiber mit Sitz in Berlin. Die trafen sich jüngst zu ihrem großen Treffen in Baden-Baden und tauschten sich aus. Fazit nach drei Tagen Filmtheaterkongress: Wer jetzt nicht auf den Technik-Zug aufspringt, wird abgehängt.

„Die 35mm-Kopie wird’s schon bald nicht mehr geben“, sagt Dr. Kramer. Ein Jahr noch, höchstens 15 Monate gibt er den alten Rollen. Programm- oder Filmkunstkinos bekommen vielleicht eine verlängerte Schonfrist. Aber nur vielleicht.

Kramers Einschätzung: Die neue Technik werde leider mit einer weiteren „Bereinigung“ in der Branche einhergehen.

Hohe Umrüstungskosten

Schon jetzt beklagt der Verband einen dramatischen Rückgang bei Kino-Standorten. 2011 gab’s Traumfabriken in 926 Städten und Gemeinden, 2008 waren es noch 1101. Auch bei den Spielstätten ist der Schrumpfungsprozess nicht aufzuhalten (aktuell 1671, vor zwei Jahren waren es noch 1714). 34 Unternehmen (heute noch 1171) verabschiedeten sich im vergangenen Jahr von der Traumfabrik.

Die Gründe für die Aufgabe von Kinos seien natürlich vielfältig, so Dr. Kramer. Die Umrüstungskosten (pro Leinwand rund 80 000 Euro) schrecken. Vielfach würden Betriebs-Nachfolger fehlen, und die Renovierungsstaus in den Sälen sind oft erheblich.

Die Umrüstung aufs D-Kino – so schön, so neu, so toll – kostet die Kinobetreiber erst einmal Geld. Ein Haus der Unnaer Größe (sechs Säle, 2000 Plätze) ist mit rund einer halben Millionen Euro dabei. Es gibt Zuschüsse von Bund und Land. Der Ansturm auf die Fördertöpfe der Filmstiftung NRW, der Filmförderungsanstalt (FFA) und des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BBK) ist derzeit groß. Denn wer weiß schon, ob und wann die Geldquellen versiegen.

Glück hat, wer in die Kategorie Kriterien-Kino fällt: Nach Umsatz-, Leinwand- und Ortsgrößen sind die Förderungen zugeschnitten und fallen bei rund 1500 Leinwänden in Deutschland üppig aus. Das Geld soll vor allem beim Umbau von Mini-Kinos in der Fläche helfen.

Aber viele Kinobetreiber gingen eben auch leer aus, weiß Kramer. Und das sei „nicht mehr darstellbar“, zumal das klassische mittelständische Unternehmen feste Beiträge an die FFA abführe.

Verleiher sind in der Pflicht

Der Unmut in der Branche über die Vergabe der Fördermittel sei ebenso groß wie der Druck auf die Verleihfirmen, die ihre Ersparnis dank neuer Technik an die Kinobetreiber nicht durchreichten. Auch die Verleiher, kündigte Kramer an, werden sich jetzt pro Leinwand an den Kosten der Umrüstung beteiligen müssen.

Auch Nicole Güldner (45) muss sich in ihrem kleinen gemütlichen Apollo-Service-Theater in Altena strecken. Natürlich werde sie die beiden Säle (75 Plätze und 34 Plätze), in denen Besucher an beleuchteten Tischchen sogar noch ein Bierchen bestellen können, noch in diesem Jahr umrüsten, sagt die Kinochefin, die das Haus auf der Verkehrsinsel im Nettetal in der 4. Generation führt.

Die beiden Vorführräume wird sie darüber hinaus noch klimatisieren, wie vorgeschrieben, damit die Server nicht heiß laufen. Den 35mm-Filmen trauert sie trotz der neuen Bild- und Tonqualität aber doch nach, denn „die spiel’ ich auch noch bei 50 Grad im Schatten“.

Das Cineworld in Lünen (fünf Säle, 1000 Plätze) ist schon komplett digital, die Umrüstung kam mit den ersten 3-D-Filmen wie „Avatar“ – Aufbruch nach Pandora.

Die alten Projektoren bleiben trotzdem noch stehen, sagt Ralf Möllenhoff, der Projektionsleiter – allein schon wegen des jährlichen Kinofestes, das immer mal wieder alte Schätzchen und Besonderheiten im Programm hat.

Ansonsten sind die imposanten Film-Maschinen reif für den Schrott. Oder finden im Foyer noch Platz – als nostalgische Deko.