Berlin. . Jetzt sind die Kerle in der Klemme: Ein Gespräch mit dem ambitionierten Regie-Star Steven Soderbergh über starke Frauen, die Lust an der Abwechslung und seinen neuen Film „Haywire“, der schnell geschrieben und elegant gedreht am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt.

Das einzige Erwartbare ist bei Steven Soderbergh immer das Unerwartete. Wenn er einen Film über „Kafka“ gedreht hat, macht er eine Gaunerkomödie mit Clooney. Wenn er die Casino-Spielchen satt hat, folgt ein Nazifilm wie „The Good German“. Und natürlich präsentiert sich der subtile Mister Soderbergh auf der Berlinale, dem Filmfest des Politischen, Ambitionierten, Hintergründigen mit einem lauten, actiongeladenen Haudrauf-Movie: „Haywire“, der an diesem Donnerstag in die deutschen Kinos kommt.

Es wird viel geschossen und geprügelt in diesem Film um eine verratene und verfolgte Geheimagentin. Die Heldin Gina Carano, in den USA eine bekannte Kampfsportlerin, hat Soderbergh beim Zappen durch die Fernsehkanäle entdeckt. Aber, ähem, Mister Soderbergh, wie schlägt sich eine Film-unerfahrene TV-Amazone in der Champions-League von Hollywood zwischen Superstars wie Ewan McGregor und Michael Fassbender? Der 49-Jährige grinst entspannt in die Gesprächsrunde und begleitet seine Sätze mit geräuschvoller Kaugummiuntermalung. „Gina ist wie Clint Eastwood. Sie erklärt nicht viel. Sie macht einfach. Und sie ist eine Athletin, sie weiß, wie man eine gute Vorstellung abliefert. Sie sieht sogar beim Laufen gut aus. Ich könnte ihr stundenlang dabei zusehen. Das Publikum wird seinen Spaß haben.“

Soderbergh balanciert wie kaum ein anderer zwischen Kunst und Kommerz

Spaß also. Auch kein Problem für den ambitionierten Regie-Star, der wie kaum ein anderer zwischen Kunst und Kommerz balanciert. Der mit der Vorstadtballade „Sex, Lügen und Videos“ 1989 einen fulminanten Außenseiter-Sieg landete und 2001 etwas seltenes in der Oscar-Geschichte schaffte, nämlich mit gleich zwei Filmen, dem Drogenthriller „Traffic“ und der Umweltschützerinnen-Saga „Erin Brokovich“, nominiert zu sein. Den Oscar bekam er für „Traffic“. Danach war er für alle Welt so etwas wie das politische Gewissen von Hollywood – und ignorierte dieses Image auf seine Art. Er machte George Clooney zum Casino-Ganoven und drehte in der glitzernden Talmiwelt von Las Vegas das Spaßprojekt „Ocean’s Eleven“. Müsste man Soderbergh, diesem unprätentiösen Workaholic mit Nerd-Brille, einen Titel aus dem Tierreich geben, käme wohl nur Chamäleon in Frage.

Regisseur Steven Soderbergh.
Regisseur Steven Soderbergh. © imago stock&people

Gerade ist er allerdings dabei, den mentalen Zustand eines Grizzlybären im Winterschlaf anzunehmen. Soderbergh, der nur zwei Daseinszustände kennt („entweder ich renne oder ich schlafe“) will in diesem Jahr noch zwei Filme drehen und dann erst mal Pause machen. Vielleicht sogar ganz aussteigen und fotografieren. Oder Bilder malen. Man mag sich das schwer vorstellen angesichts der Arbeitswut, die der Regisseur in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Soderbergh macht Filme, wie andere Leute Kinder. Alle neun Monate einen. „Ich liebe das Filmemachen. Das Tüfteln, Planen, Ausführen, Wenn der Film fertig ist, ist er für mich auch durch.“

Haywire - schnell geschrieben, elegant gedreht

„Haywire“ ist in dieser Hinsicht ein perfekter Soderbergh-Film. Schnell geschrieben, elegant gedreht, Genre-treu, aber doch mit diesem gewissen Abstand. Und natürlich starbesetzt bis in die Nebenrollen. Das Schwierigste sei gewesen, männliche Darsteller zu finden, die mit der starken Frau Canaro in den Clinch gehen konnten. Einer von ihnen wird sein Leben am Ende sogar im Schwitzkasten ihrer Schenkel aushauchen. Soderbergh ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden: „Die Jungs haben Gina geholfen, wenn es darstellerisch knifflig wurde. Und Gina hat sich dafür bei den Kampfszenen revanchiert.“ Es soll trotzdem blaue Flecken gegeben haben. Aber, hey, sagt Soderbergh, „das Leben ist gefährlich. In Amerika brennen derzeit vielen Leuten leicht die Sicherungen durch.“

Sein letzter Film, „Contagion“, hat von der Paranoia erzählt, die ein Virus in der vernetzten Welt erzeugen kann. Das Filmgeschäft, sagt Soderbergh, sei vom Hang zum Mittelmaß infiziert, an Qualität sei kaum noch jemand interessiert. Das Publikum wolle vor allem Effekte und billige Gefühle. Es werde immer schwieriger, interessante Projekte durchzuboxen. Gut möglich, dass er dafür Nachhilfe bei Miss Canaro nimmt. Oder das nächste Projekt heißt dann doch: Auszeit im Museum.