Essen.. Seine Knollennasenmänner bevölkern die Feuilletons wie die Museen: Im Interview spricht Comic-Zeichner Ralf König („Der bewegte Mann“, „Prototyp“) übers Altwerden, schwule Comics und das Gefühl, im Mittelpunkt einer Kino-Doku des Filmemachers Rosa von Praunheim zu stehen.
Der „König des Comics“ kommt aus Westönnen, tiefes Westfalen. Katholische Kindheit am Sauerkrautbach, Hauptschulabschluss und Tischlerlehre, Coming-out im „Kommunikations Zentrum e.V. Dortmund“, Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Einer, der es mit seinen Comics über homosexuelle Lebenswelten in die erste Liga deutscher Zeichner geschafft hat. Seine Knollennasenmänner bevölkern die Feuilletons wie die Museen.
Viele seiner Comics von „Jago“ bis „Lysistrata“ sind Klassiker, in 15 Sprachen übersetzt, aus ihnen wurden Filmerfolge („Der bewegte Mann“), aber auch Fälle für die Bundesprüfstelle („Kondom des Grauens“). Seit dieser Woche ist Ralf König (51) im Kino nun Star seiner eigenen Geschichte: „König des Comics“. Im Gespräch mit Martina Schürmann lässt der nachdenkliche Geschichtenerzähler und Wahl-Kölner schnell erkennen, dass ihm die Rolle des Selbstdarstellers bis heute nicht so richtig behagt.
Musste Rosa von Praunheim Sie zu diesem Film überzeugen?
Ralf König: Durchaus. Rosa steht ja in dem Ruf, Dinge zu tun, die dem anderen nicht unbedingt behagen. Andererseits war sein Buch „Sex und Karriere“ meine Bibel, als ich es mit 17 in einer Buchhandlung in Soest entdeckte. Ich hab die Sätze rot angestrichen, die ich toll fand. Als mein Vater das später entdeckte, gab’s Ärger.
Hatten Sie auf das Konzept des Dokumentarfilms „König des Comics“ Einfluss?
Ralf König: Schon. Rosas Idee, meine Comics mit Laiendarstellern nachzuspielen, die kam für mich nicht in Frage. Stattdessen haben wir Auszüge aus Comic-Lesungen genommen, um den Inhalt meiner Arbeit zu zeigen. Die Auswahl ist vielleicht ein bisschen derb.
Aber Sie gelten als Zeichner, der in puncto Freizügigkeit in der Homosexuellen-Szene Maßstäbe gesetzt hat.
Ralf König: Anfangs war das sicherlich der Grund, warum die Bücher so erfolgreich waren. Da hat sich jemand über ein absolutes Tabu lustig gemacht. Später hab ich das manchmal eher als Klotz am Bein empfunden, der schwule Comiczeichner zu sein. Dadurch gingen mir ja auch viele Leser verloren. „Der bewegte Mann“ war ein Glücksfall, weil er mich auch bei einem heterosexuellen Millionenpublikum bekannt gemacht hat. Auch wenn ich mit der Verfilmung bis heute nicht ganz glücklich bin. Meine Vorlage war schon frecher.
Film und Fernsehen tun sich schwer mit dem Thema ?
Ralf König: Immer noch. Wenn es ums Schwulsein geht, wird immer gleich auf die Tuntennummer gesetzt. Wie in den Bully-Herbig-Filmen. Ein Hetero macht einen Film über Schwule, und da tucken dann ein paar Tunten über den Bildschirm und finden das lustig.
Ist die Zeit des Schwulen-Comics ohnehin bald vorbei?
Ralf König: Gesellschaftlich wäre das zu wünschen. Für meine Auflage natürlich nicht (lächelt). Ich glaube, für jemanden, der 15 ist und auf dem Dorf lebt, ist es vermutlich immer noch schwer, sich zu outen. Auch wenn sich durch das Internet viel geändert hat. Als ich Anfang der 70er meine ersten Comics gezeichnet habe, da hatte ich noch keinen echten Schwulen gesehen. Erst als ich in die Stadt gekommen bin, habe ich feststellt: Wow, es gibt viele von uns! Dortmund, das war damals mein New York.
Sie waren einer der wenigen Zeichner, die nach dem dänischen Karikaturenstreit Stellung bezogen haben.
Ralf König: Ich achte religiöse Gefühle, aber ich kann mir deswegen nicht den Stift verbieten lassen. Nach der vierten Heiligen-Legende, an der ich gerade arbeite, bin ich mit dem Thema Religion aber hoffentlich auch durch.
Was kommt danach?
Ralf König: Ich hätte mal Lust, Science-Fiction zu zeichnen. Aber Raumschiffe kann ich nicht gut. Aufwendige Zeichnungen sind mir ein Gräuel. Am liebsten habe ich es, wenn zwei Figuren auf dem Sofa sitzen und sich unterhalten. Der Dialog ist das, was mir Spaß macht.
Das Thema für die Zukunft?
Ralf König: Das Altwerden. Ich möchte auch ein Buch darüber machen. Aber ich glaube, ich muss die Midlife-Krise erst mal hinter mich bringen. Meine eigene, und die meiner Nasen.