Berlin.

Leserin Christel L. aus Iserlohn möchte an unserem Berlinale-Telefon gerne wissen, wie viele Journalisten über die Filmfestspiele berichten und ob man sich mit den Kollegen austauscht oder sogar abspricht.

In diesem Jahr sind mehr als 3500 Medienvertreter aus aller Welt angereist, und natürlich unterhält man sich dann und wann miteinander. Doch bleibt der Meinungsaustausch zumeist recht vorsichtig und im Allgemeinen, und regelrechte Absprachen sind völlig verpönt. Im Gegenteil, die Meinungen und Kritiken gehen bunt durcheinander, übereinstimmende Urteile sind da schon die Ausnahme.

Das gilt allerdings nicht für den absoluten Berlinale-Liebling in diesem Jahr: Meryl Streep hat nicht nur den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk an der Spree erhalten, sie war auch bei der Vorstellung des Films „Die eiserne Lady“ über die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher anwesend. Die sonst doch eher reservierten und abgeklärten Presseleute zeigten sich vor Begeisterung schier aus dem Häuschen. Nicht einmal so sehr wegen des Films selbst – wobei ich ihn ganz ausgezeichnet finde – sondern hauptsächlich wegen Meryl Streep, die für ihr jüngstes Meisterwerk jetzt in Hollywood auf einen dritten Oscar als beste Darstellerin hoffen darf und als derzeit beste Schauspielerin der Welt gewertet wird.

Tatsächlich spielt sie die Thatcher nicht, sie lebt sie einfach vor der Kamera. Jede Geste, jede Bewegung, jeder Blick und jeder Tonfall trifft die britische Politikerin mit geradezu unheimlicher Genauigkeit. Selbst die wechselnde Stimmlage und den ganz besonderen englischen Maggie-Akzent hat sie exakt einstudiert. Für die Journalisten bei der Pressekonferenz sagt sie noch einmal das berühmte Thatcher-„No“, und der ganze Saal tobt vor Vergnügen. „Wenn man etwas gern macht, ist es nicht schwer“, spielt die New Yorker Schauspielerin ihre wirklich geniale Leistung bescheiden herunter, und als eine rumänische Kollegin ihr das Kompliment macht, sie hätte nicht nur die ältere, nein auch die ganz junge Frau Thatcher prima darstellen können, da zwinkert Meryl Streep dankbar und antwortet schlagfertig: „Ich liebe Rumänien.“

Wie sie denn am Ende eines Drehtages wieder zu sich selbst habe zurückfinden können, wird sie noch gefragt, und der sympathische Superstar plaudert unverblümt aus dem Nähkästchen: „Während unserer neunwöchigen Dreharbeiten hat mir meine Regisseurin Phyllida Lloyd jeden Tag am Ende einen Gin Tonic spendiert. Das hat mich immer wieder gleich geerdet.“

Um erst gar keine Oscar-Rivalität aufkommen zu lassen, läuft „Die eiserne Lady“ bei der Berlinale außer Konkurrenz, aber ein wenig Glanz von Meryls Ehrenbären wird auch auf diese großartige Produktion zweifellos abstrahlen.

Vielleicht nicht gerade auf dem allerobersten Weltniveau, jedoch durchaus im internationalen Maßstab schlagen sich auch die deutschen Schauspielerinnen bei diesem Festival mehr als achtbar. Da war ja schon Nina Hoss in dem deutsch-deutschen Drama „Barbara“ (das inzwischen echte Berlinale-Siegerchancen hat), und jetzt sind auch noch Martina Gedeck und Corinna Harfouch in die Riege der meist beachteten Mimen aufgestiegen.

Die Gedeck besticht in der archaisch anmutenden Romanverfilmung „Die Wand“ als eine Art weibliche Robinson-Crusoe-Variante. Corinna Harfouch wiederum spielt in „Was bleibt“ eine Mutter und Ehefrau, die ihre Familie damit überrascht, dass sie nach 30 Jahren voller Depressionen nun auf ihre dämpfenden Medikamente verzichten will. Die Katastrophe ist programmiert, doch nimmt sie einen überraschend anderen Verlauf, als man meinen könnte. Corinna Harfouch spielt leise und intensiv; sie lotet einen komplexen Charakter mit bewundernswerter Tiefe aus.

So unterschiedlich beide Streifen auch sind, so spiegeln sie eine unübersehbare Qualität, die der deutsche Film inzwischen anerkanntermaßen erreicht hat. Vorbei die quälenden Jahre, als sich Deutschland im internationalen Kino-Kanon verstecken musste und kaum mehr als Peinlichkeiten an den Start brachte. Der Filmstandort Deutschland ist selbstbewusst geworden und kann bei Schauspielern wie bei Regisseuren buchstäblich aus dem Vollen schöpfen. „Die Wand“ und „Was bleibt“ sind anspruchsvolle Kunstwerke, die durch ihre Inhalte nachdenklich stimmen und handwerklich perfekt ausgearbeitet wurden.

Daher kann ich unseren Leser Herbert K. aus Hagen mit bestem Gewissen beruhigen: Die Berlinale ist nicht nur ein cineastischer Laufsteg für die ganze Filmwelt; sie ist tatsächlich auch ein imponierendes Schaufenster der eigenen Leistungsstärke in unserem Land.