Berlin. .

Gleich die erste Anruferin an unserem neuen Berlinale-Telefon stellt die Königs-, beziehungsweise besser formuliert, die Königinnen-Frage: Ob mich denn meine Frau nach Berlin begleiten würde, möchte Frau Jutta K. aus Arnsberg wissen. Das sei doch sicher nett, fügt sie warmherzig hinzu.

Bedauernd muss ich verneinen und weise darauf hin, dass zu den ausgewiesenen Kinovorstellungen für die Journalisten unter strengster Kontrolle keine anderen Besucher zugelassen werden. Auch biete der Tagesablauf mit etwa vier Filmen und den jeweils nachfolgenden Pressekonferenzen praktisch keine Zeit für Muße und Zweisamkeit. Und irgendwann müssen ja dann auch noch die Texte geschrieben werden. Nein, Berlinale-Berichterstatter sind doch eher ausgeprägte Einzelkämpfer mit vorübergehend familiärer Auszeit.

Während der frühmorgendlichen Zugfahrt hatte ich mich übrigens - quasi brutalst möglich - auf mein Reiseziel mit der Lektüre des Buches „I hate Berlin. Unsere überschätzte Hauptstadt“ (Lübbe Verlag) eingestimmt. Darin formuliert u. a. die Schriftstellerin Sarah Schmidt: „Bis vor Kurzem, als noch nicht diese widerliche und verlogene Freundlichkeit vorherrschte, war das Schönste im Berliner Alltag die Herausforderung: Wer ist fieser – der Verkäufer oder der Kunde? Das war spannender und fairer Wettkampf.“

Entsprechend auf Ruppigkeit vorbereitet, werde ich dann aber doch wieder einmal ausgesprochen freundlich an der Spree empfangen. Die Akkreditierung verläuft schlangen- und reibungslos, wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil ich die Festivalgebühr (60 Euro) schon daheim überwiesen habe. So kann ich auch pünktlich um 12 Uhr im Berlinale-Kino den ersten Film sehen: „Leb wohl, meine Königin“, ein französisches Historiendrama, in dem die Deutsch-Amerikanerin Diane Kruger die Königin Marie-Antoinette im Juli 1789 in den letzten 72 Stunden vor ihrer Hinrichtung spielt.

Der durchaus interessante Stoff nach einer erfolgreichen Romanvorlage entpuppt sich jedoch als weitgehend maues und langweiliges Machwerk. 100 Minuten Kammerspiel im königlichen Schlafzimmer – und das reichlich behäbig und maliziös dargeboten. Entsprechend hebt sich am Ende auch keine einzige Hand zum Applaus im Kinosaal, und bei der anschließenden Pressekonferenz will ebenfalls keine rechte Begeisterung aufkommen.

Immerhin aber kann ich an dieser Stelle die Frage unseres Lesers Klaus S. aus Menden aufgreifen: „Wie nahe kommen Sie eigentlich an die Stars ran?“ Nun, im Fall von Diane Kruger betrug der Abstand nur ganz wenige Meter. ­Wenngleich einzuräumen ist, dass die vermeintliche Exklusivität der Begegnung doch mit etwa 300 anderen Medienleuten und gut zwei Dutzend TV-Kameras aus aller Welt geteilt werden musste.

Dennoch: Diane Kruger gab sich kein bisschen zicken- oder divenhaft. In grün-weißer Blümchen-Bluse und einem knielangen, schwarz-weiß-quergestreiften Rock zeigte sich die Schauspielerin ausgesprochen geduldig, beantwortete aber auch alle Fragen auf englisch mit deutlichem US-Akzent. Die Rolle der Marie-Antoinette habe ihr einiges abverlangt, gerade auch der französische Zungenschlag des späten 18. Jahrhunderts habe sie tüchtig gefordert, bekennt sie: „Dass die französische Königin allerdings etwas lesbisch gewesen ist, wie es unser Film zeigt, glaube ich eher nicht“, fügte sie hinzu.

Festivalchef Dieter Kosslick hatte im Vorfeld der Berlinale schon darauf hingewiesen, dass das Thema von „Leb wohl, meine Königin“ hohe aktuelle Politbrisanz habe und – im Blick etwa auf den gestürzten Präsidenten Mubarak in Ägypten - gleichsam als grundsätzliches Beispiel für das Ende von Despoten angesehen werden könne.

Diane Kruger äußerte sich da weit weniger pointiert: „Der Missbrauch von Macht und Geld waren immer schon ein Thema in der Geschichte. Und das wird wohl auch so bleiben.“ Dann verschwindet sie lächelnd, um sich vor ihrem blitzlichtumtosten Gang über den roten Teppich der offiziellen Gala-Premiere am Abend noch etwas auszuruhen.