Köln. . Herbert Fritsch ist durch seine Inszenierungen am Theater Oberhausen auch in unseren Breiten ein Begriff. Letztes Jahr wurde er mit gleich zwei seiner Arbeiten zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Jetzt hat er in Köln Brechts „Puntila“ auf die Bühne gebracht.
Die Bühne von Janina Audick im Schauspiel Köln wirkt wie ein Vergnügungspark, mit Riesenrutsche und exotischem Landschaftsprospekt im Hintergrund. Das passt zu einem Regisseur wie Herbert Fritsch, dem Vergnügen auf der Bühne eine Herzenssache ist, der selbst in hehren Klassikern noch groteske Komik entdeckt. Brechts Volksstück „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ musste sich ihm da ja förmlich aufdrängen. Geht es doch um einen finnischen Großgrundbesitzer, der im Suff humaner Kumpel ist, in seinen gelegentlichen Anfällen von Nüchternheit jedoch den beinharten Kapitalisten erkennen lässt.
Von diesem Gegensatz allerdings ist bei Fritsch nicht mehr viel spürbar. Der hünenhafte Charly Hübner hängt als Puntila zwischen seinen beiden Wesensarten den Zaun sehr niedrig, nur wenig Ausbeuter bleibt da noch übrig. Hübner zeigt dabei eine geradezu artistische Freude, den Trunkenen bis zum Exzess zu geben. Stets muss er Halt suchen mit seinem massigen Körper, rudert in seinem hellblauen Anzug gegen das endgültige innere Ertrinken an, um schließlich doch zu stürzen.
Fortgesetzte Trunkenheit
Es ist leicht für ihn, in dieser Inszenierung die Oberhand zu gewinnen. Michael Wittenborn nämlich macht aus seinem Knecht Matti mit kaum verständlicher Fistelstimme in immer gleicher Höhenlage und Chauffeurs-Livrée ein seltsames Monstrum, das als einzige Gefühlsregung mal einen Flunsch zieht mit seinem zahnlos wirkenden Mund.
Diese ewige Gleichförmigkeit des Charakters findet ihren Widerhall in der ganzen Inszenierung, die in fortgesetzter Trunkenheit eher ziellos vor sich hin wankt. Was an Personal vorhanden ist, daraus formt Fritsch einen alkoholisierten Chor, der gelegentlich singend, gelegentlich auch grölend oder rappend die eigene Standfestigkeit überprüft. Nur Angelika Richter als Puntilas so herrlich unbedarfte Tochter Eva lässt sich von diesem Mob eher selten einverleiben und macht lieber ihr eigenes Ding.
Nach 20 Minuten . . .
Natürlich hat keiner erwartet, dass in Brechts Volksstück heute noch so etwas wie sozialer Sprengstoff stecken könnte, der Regisseur wohl am allerwenigsten. Aber eigentlich sollte das kein Grund sein, dem Zuschauer das Gefühl zu geben, dass deshalb hier schon nach etwa 20 Minuten alles gesagt ist, ihm das Gefühl zu geben, dass dies weniger Aufführung denn zweistündige Sause mit kurzen Unterbrechungen ist. Etwa wenn gleich mehrere Verlobte des trunkenen Herrn Puntila aufkreuzen, um die Manneskraft des sich gern mehrfach verschenkenden Kerls zu überprüfen.
Der Schlussapplaus dehnt sich, wohl weniger aus Begeisterung denn aus Inszenierungsgründen: Fritsch schickt jedes Ensemblemitglied einzeln an die Rampe, um seine Gefühle gestisch mitzuteilen. Eine Geste. Zärtlich, aber zeitraubend.