Dortmund. . Triumph für Dortmund: Mit der Premiere „Cosí fan tutte“ spielt das Haus wieder in einer anderen Mozart-Liga

Was für ein Abend! Jubelnd feierte Samstag das Premierenpublikum in Dortmunds Oper die Premiere von „Cosí fan tutte“. So einen Mozart-Triumph hat das Haus seit Jahren nicht mehr erlebt.

Intendant Jens-Daniel Herzog glückt damit in mehrfacher Hinsicht ein Kunststück. Nicht nur, dass seine heitere, zugleich abgründige „Cosí“ aus dem Schatten ihrer beliebteren Schwestern „Don Giovanni“ und „Nozze di Figaro“ tritt. Herzog gelingt einfallsreiches Musiktheater als generationsübergreifendes Vergnügen.

Treue Mozart-Pilger kommen in dieser „Cosí“ ebenso zu ihrem Recht wie jene, die finden, dass die Heiligtümer des Repertoires einen Schuss Respektlosigkeit vertragen. Der zeigt sich (bei original gesungenem Libretto) etwa in frechen Übertiteln, in denen das Kammermädchen über die Rente mit 67 ächzt und eitle Kerle („schiefe Schnauzen, dicke Plauzen“) keine Schonung erfahren.

Das klingt, als käme diese Inszenierung in Zeiten von parship.de als plumpe Aktualisierung daher. Weit gefehlt.

Zur Erinnerung: Zwei junge Männer aus Neapel sind sich ihrer Sache äußerst sicher. Bis ein Zyniker (Don Alfonso) ihnen das Gift des Misstrauens einflößt: Glaubt Ihr im Ernst, dass Eure Frauen treu sind, wenn sie nur die Gelegenheit haben…? Die Jungs tun, als zögen sie in den Krieg. Ihre Schätzchen (Fiordiligi, Dorabella) dagegen bekommen Besuch von zwei Albanern, die buhlen wie die Verrückten. Tatsächlich sind es die verkleideten Verlobten. So wird aus Spaß Ernst: Die Frauen verlieben sich – aber über Kreuz.

Herzogs tragender Zugriff funktioniert über die Gefühlswelt als Bühne. Dafür hat Ausstatter Mathis Neidhardt ein abgehalftertes Theaterfoyer samt puppiger Guckkastenbühne geschaffen, in dem der Chor als Zuschauer mitwettet, wer sein Herz in diesem Klamauk als erster verliert. So ist also alles Theater? Welche Katastrophe hier nur Kulisse ist, welche Emotion Effekt, welches Schmachten Schminke: Darüber denkt Herzog vielgesichtig nach. Im schlauen Schlussbild werfen sie alle die Blumen für diese Gala des vermeintlichen Glücks auf den Boden: schlechter dran als zuvor. Sind wir am Ziel, ist es das falsche.

Herzog fordert den Sängern viel ab. Eleonore Marguerres Fiordiligi (eine traumhaft samtige Mozart-Heroine, ein Seelensopran) feuert zur heiklen Felsenarie einen Pumps-Hagel auf ihre Freier ab. Und Julia Amos’ famose Zofe Despinetta verdreht den Jungs der Dortmunder Philharmoniker den Kopf – ehe sie sich für ein Viertelschäferstündchen mit dem Dirigenten zurückzieht!

Das scheint nicht zu schaden. Der junge Japaner Motonori Kobayashi zaubert mit den Dortmundern einen charmant schlanken Mozartklang, nicht extrem sinnlich, aber äußerst präzise und mit schönen kammermusikalischen Raffinessen.

Anrührend: Ileana Mateescus leidende Dorabella. Als nassforsche Gockel machen Lucian Krasznecs Fernando und Gerardo Garciacanos Guglielmo einfach Spaß, auch wenn zum vollendeten Mozart-Gesang noch Luft nach oben ist. Legt Christian Sists schön modulierender Bass ein bisschen szenische Hüftsteife ab, sollte sein teuflischer Alfonso grandios werden.

Dortmunds Publikum feiert, wohl auch froh, mit diesem Mozart wieder in einer anderen Liga spielen zu dürfen. Fabelhaft! Wer nicht hingeht, ist selber schuld.